Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Fast acht Millionen Menschen haben ein „atypisches Beschäftigungsverhältnis“. So nennt man das, wenn jemand z. B. in Teilzeit, im 400-Euro-Job, als Leiharbeiter oder befristet arbeitet. Allerdings frage ich mich: Wenn so viele Menschen unter solchen Bedingungen arbeiten müssen, was ist dann daran noch atypisch? Viel mehr Menschen als wir glauben leben in unserem Land von der Hand in den Mund. Da ist das Geld ganz schnell ganz schön knapp und auf dem Konto herrscht Ebbe.

Dabei steht doch schon in der Bibel: der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Und der muss auch für den Lebensunterhalt ausreichen. Jesus stellt Gott einmal als reichen Winzer vor. Der zahlt für einen Tag Arbeit im Weinberg einen Silbergroschen. Das war ordentlich und reichte zum Leben. Im Laufe des Tages braucht er immer wieder zusätzliche Arbeiter. Also werden ohne viel Federlesen den ganzen Tag über Männer aufs Feld geholt. Wer keine Arbeit hat, nimmt gerne an und fragt auch nicht groß, was dabei finanziell für ihn herausspringt. Selbst eine Stunde vor Arbeitsende werden noch Leute eingestellt.

Am Abend wird dann der Lohn für den Tag ausgezahlt. Die Überraschung ist groß: jeder bekommt einen Silbergroschen, egal, wie lange er dafür gearbeitet hat. Die Reaktionen fallen sehr unterschiedlich aus. Die einen sind dankbar und begeistert. Sie werden heute Abend satt werden, auch wenn sie zunächst keine Arbeit hatten. Die anderen aber sind richtig sauer. Sie haben frühmorgens angefangen, die Hitze des Mittags ertragen und den ganzen Tag schwer geschuftet. Was soll daran gerecht sein, dass alle gleich entlohnt werden? Wie soll man mit der Güte so eines göttlichen Winzers zurechtkommen? Viel-leicht so: dieser Winzer stellt nicht die Leistung an die erste Stelle. Sondern das, was ein Mensch zum Leben und Überleben braucht. Wichtiger als eine Leistungsprämie ist es, dass auch der, der ein atypisches Beschäftigungsverhältnis hatte, am Abend nicht hung-rig schlafen geht. Dafür steht er mit seiner Güte ein.

Ich meine: wenn wir schon so viele atypische Beschäftigungsverhältnisse haben, dann brauchen wir auch mehr atypische Arbeitgeber wie Gott. Damit alle genug zum Leben haben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4651
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