SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Epiphanias heißt der heutige Tag auf dem kirchlichen Festkalender: Tag der Erscheinung. Mit diesem Tag verbinden sich ganz unterschiedliche Überlieferungen. Alle erzählen sie auf ihre Weise dasselbe und entschlüsseln damit den Sinn dieses Tages: In allen nämlich wird ein Glanz offenbar, der unser Leben zum Leuchten bringt.
Die orthodoxe Christenheit feiert heute das Geburtsfest Christi. Sie verbindet mit diesem Tag die Geschichte von Jesu Geburt, wie sie uns als Weihnachtsgeschichte aus den Evangelien bekannt ist.
In der westlichen Christenheit stehen seit vielen Jahrhunderten die Geschichten von den Weisen aus dem Morgenland im Mittelpunkt. Geleitet von einem Stern, den die Weisen, die ja auch Sterndeuter waren, auf die Geburt eines neuen Königs beziehen, kommen sie nach Jerusalem. Sie geraten in das politische Ränkespiel des Königs Herodes, weichen dem blutrünstigem König aber aus und erreichen schließlich Bethlehem. Dort beten sie das Kind an und machen ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe, letzteres ein kostbares Harz, zum Geschenk.
Und noch zwei weitere biblische Geschichten verbinden sich mit diesem Tag: die Geschichte von der Taufe Jesu. Jesus kommt zum Jordan, um sich von Johannes taufen zu lassen. Bei der Taufe, so erzählen die Evangelisten, öffnet sich der Himmel und in Gestalt einer Taube kommt der Geist Gottes auf Jesus herab. Eine Stimme ist zu hören, die sagt: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Und zuletzt ist da noch die bekannte Erzählung von der Hochzeit zu Kanaa. Einer kräftig feiernden Gesellschaft geht mitten im rauschenden Fest der Wein aus. Jesus aber sorgt dafür, dass das Fest nicht ins Wasser fällt. Auf Bitten seiner Mutter verwandelt er das Wasser, das in den hohen Tonkrügen bereit steht, zu kostbarem Wein. Der Evangelist Johannes weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei um das erste Zeichen handelte, das Jesus tat und er damit seine Herrlichkeit offenbarte.
Da ist es wieder – das Stichwort des heutigen Epiphaniastages: Erscheinung, Herrlichkeit, Offenbarwerden eines Glanzes, der die verdunkelte Lebenslandschaft aufhellt – so wie ein schmaler Sonnenstrahl, der aus einer geschlossenen Wolkendecke hervorbricht.
Das gefällt mir übrigens so gut an diesem Festtag: Er regt an, hinter der Fülle der Traditionen, die sich mit Epiphanias verbunden haben, den Schlüssel zu suchen, der zu allem passt. Und der besteht eben im Geheimnis jenes verborgenen Glanzes, der immer wieder und unvermutet aufleuchtet, gerade dann, wenn Menschen mit ganz anderen Dingen beschäftigt sind.
Jetzt, wo wir von den Höhen der Feiertage, die hinter uns liegen, allmählich wieder herabsteigen in die Niederungen des Alltags, ist das eine wichtige Erinnerung – der Hinweis auf den verborgenen Glanz Gottes in dieser Welt, der in manchen glückvollen Momenten nicht mehr verborgen ist, sondern sich entbirgt. So dass – vielleicht nur einen Augenblick lang – ein göttliches Leuchten auf unser Leben fällt.
Auf dem Weg der Könige nach Bethlehem war das so. Und erst recht an ihrem Ziel bei dem neuen König, der so ganz anders war als alles, was man über Könige wusste. Aber auch bei der Hochzeit zu Kanaa, bei dem schon alle mit einem peinlichen Abbruch gerechnet hatten, und die dann doch auf wunderbare Weise weitergehen konnte.
Epiphanias – das ist das Fest vom unverhofften Ganz, der unser Leben streift. Wo du dich auch befindest: manchmal tut sich der Himmel über dir auf. Und was vorher unsichtbar und unbegreiflich war, wird auf herrliche Weise klar und deutlich. https://www.kirche-im-swr.de/?m=465
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