SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Noch ist das neue Jahr voller unerfüllter Wünsche. Und wir hoffen, dass nur ein wenig von dem wahr werde, was wir uns am Neujahrsmorgen zugesprochen haben: Frieden in der Welt, Gesundheit, gewiss auch, dass uns im Alltag die Liebe unserer Mitmenschen erhalten bleibt.
Auf einem Kalenderblatt fand ich dazu eine schöne Geschichte: Ein junger Mann war auf dem Weg zum nächsten Markt. Er hatte einen großen Kupferkessel auf den Rücken geschnallt, in der rechten Hand hielt er ein gackerndes Huhn und einen Wanderstab, und an der linken Hand führte er eine Ziege.
An einer Weggabelung traf er ein hübsches Mädchen. Da auch sie zum Markt wollte, gingen sie gemeinsam weiter. Nach einer Weile kamen sie an eine finstere Bergschlucht. Das Mädchen blieb stehen: „Nein, durch diese einsame Schlucht gehe ich nicht. Du könntest die Gelegenheit ausnutzen, um mich zu umarmen und zu küssen.“
„Wie sollte ich Dich denn umarmen und küssen?“, wehrte sich der Junge. „Ich habe einen Kupferkessel auf dem Rücken, an der einen Hand führe ich die Ziege, und in der anderen Hand halte ich ein Huhn und einen Stock.“
„Nun“, antwortete das Mädchen, „Du könntest das Huhn auf die Erde setzen und den Kessel darüber stülpen, den Stock fest in den Boden stecken und die Ziege daran binden, und dann könntest Du mich umarmen und küssen.“
Nachdenklich starrte der junge Mann das Mädchen an und entgegnete: „Gott segne Deine Weisheit.“ Gemeinsam setzen sie ihren Weg fort.
Liebe macht erfinderisch, sagt diese Geschichte. Sie lässt selbst eine finstere Schlucht als Raum ungeahnter Möglichkeiten erscheinen.
Weil das so ist, darum preist der Apostel Paulus in seinem Hohen Lied die Liebe höher als alles andere – höher noch als Glaube und Hoffnung. Denn die Liebe enthält alles andere. Sie setzt nicht nur mich in ein besonderes Verhältnis zu mir selbst und zu meinem Gegenüber, sondern bringt mich auch in Berührung zum tragenden Geheimnis meines Lebens.
Vor allem öffnet sie den Blick für neue und ungeahnte Möglichkeiten. „Gott segne Deine Weisheit“, sagte der junge Mann am Schluss der Geschichte zu dem Mädchen, das ihm die Augen geöffnet hatte. Und gemeinsam, wie es heißt, setzten sie ihren Weg fort. https://www.kirche-im-swr.de/?m=464
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