SWR2 Wort zum Tag

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„Besäßen wir Habe, bräuchten wir Waffen, um sie zu verteidigen“
Assisi im Jahre 1206. Vor dem Bischof und vielen Leuten findet eine ungewöhnliche Verhandlung statt. Auf der einen Seite der wohlhabende Tuchhändler Pietro Bernadone, auf der andern Seite sein Sohn Franziskus. Plötzlich zieht der 25jährige all seine Kleider aus und wirft sie seinem Vater zu mit den Worten: „Bisher habe ich Pietro Bernadone meinen Vater genannt. Jetzt aber kann ich sagen: Vater unser, der du bist im Himmel.“
Eine dramatische Szene! Sie markiert auf der persönlichen Ebene das Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn. Und es steckt weit mehr dahinter als ein spätpubertäres Aufbegehren. Hier zeigt sich, was Franziskus von jetzt an will: er zieht sich nackt aus, verzichtet auf den Wohlstand der Familie und ist ab jetzt arm wie die sprichwörtliche Kirchenmaus.
Damit lebt er total gegen den Trend. Denn um 1200 gewinnt in Italien das Geld zunehmend an Bedeutung. Dadurch werden die Menschen auf eine neue Weise ungleich. Nicht nur Geburt und Herkunft unterscheiden sie, sondern auch Besitz und Geld. Es entsteht in großem Ausmaß neue Armut. Franziskus ist ab jetzt einer der vielen Armen, ohne Geld, ohne materielle Sicherung im Hintergrund. Freiwillig arm. Er will zu denen gehören und die ehren, die arm sind, ohne es zu wollen. In seinem weiteren Leben hilft er Armen bei ihrer Arbeit und pflegt Aussätzige. Almosen, die er bekommt, schenkt er weiter. Allmählich schließen sich ihm Leute an, es entsteht eine Gemeinschaft von Brüdern, und auch sie verpflichtet Franziskus, völlig arm zu leben. “Besäßen wir Habe, so bräuchten wir Waffen, um sie schützen.“ Mit diesen Worten erklärt er den gefährlichen Zusammenhang zwischen Besitz und Streit, zwischen Eigentum und Gewalt, zwischen Geld und Krieg.
Es wird öfter erzählt, dass Franziskus trotz Kälte seinen Mantel verschenkt hat. „Ich will kein Dieb sein“, erläutert er, „wir bestehlen den großen Almosenspender im Himmel, wenn wir nicht denen etwas geben, die bedürftiger sind als wir“.
Franziskus hat aber noch einen weiteren, einen tiefreligiösen Grund für sein Verhalten. Wenn Du einen Armen siehst“, schreibt er, „dann musst du in ihm den sehen, in dessen Namen er kommt, nämlich Christus, der unsere Armut und Schwäche auf sich genommen hat.“ (Spiegel der Vollkommenheit, 72).
Zur Zeit denken viele in aller Welt besonders intensiv über Geld nach, ich selber auch. Franziskus liefert da immerhin ein paar ungewohnte Gesichtspunkte.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4615
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