SWR2 Wort zum Tag

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Der Maler Paul Klee hat gegen Ende seines Lebens mit Vorliebe Engel gezeichnet. Auf Papier, auf Karton, sie haben alle ein bisschen Ähnlichkeit mit Kinderzeichnungen. Da gibt es zum Beispiel den vergesslichen Engel, den Engel im Kindergarten, den traurigen Engel, den altklugen, hässlichen und den noch tastenden Engel. Besonders gut gefällt mir eine Zeichnung mit dem Titel „Debut eines Engels“. Sie zeigt ein etwas unbeholfenes Wesen mit großem Kopf und großen Augen, Sorgenfalten auf der Stirn und noch ziemlich schlaksigen Flügeln. Ein Engel, der sich zum ersten Mal traut, ein Engel zu sein.
Man kann das befremdlich finden, dass diese Engel so ausgesprochen irdisch daher kommen. Aber vielleicht hat Klee damit etwas Wichtiges getroffen. Engel sind Wesen unseres Alltags, des normalen Lebens, Wesen, in denen aber auch etwas steckt, das nicht nur irdisch ist, die auch aus einer andern Welt kommen. Vielleicht sind sie deshalb zu allen Zeiten vielen Menschen wichtig. Weil wir ahnen, dass in unserm normalen Leben mit seinen unzähligen Facetten auch eine andere nicht bis ins letzte erklärbare Wirklichkeit da ist. Ich kann es auch anders sagen: es gibt wohltuende Menschen, belebende Menschen, die uns deshalb gut tun, weil sie etwas mitbringen, das wie aus einer andern Welt kommt, das Hoffnung macht über das eigentlich nüchtern Erhoffbare hinaus, das lebendig macht, wo wir eigentlich aufgeben wollen, es gibt Menschen, die uns auch in viel Chaos und Gefahr einen Funken Geborgenheit und Klarsicht geben.
Die katholische Kirche feiert heute das Schutzengelfest, seit 500 Jahren feiert sie es. Geschichten von Engeln, die Reisende oder sonstwie gefährdete Menschen beschützen, gibt es schon in der Bibel z.B. von Rafael, der einen jungen Mann namens Tobias auf einer gefährlichen Reise begleitet. Die Geschichten und die Feste drücken den Glauben an göttlichen Schutz aus, der sogar ziemlich unauffällig sein kann. Künstler wie Paul Klee haben davon viel verstanden. Daß Engel nicht nur die starken Helden sind, sondern oft gerade die schwachen, unzulänglichen, überhaupt nicht glänzenden. Und daß manche und mancher erst noch Mut fassen muß, um andern zum Engel zu werden. Ein Engel, dem die Knie schlackern. Das ist doch ein sympathisches und auch in bestem Sinne ein frommes Bild.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4613
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