SWR2 Wort zum Tag

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Er war ein Mensch auf der Höhe seiner Zeit, und ist doch nicht im Zeitgeist aufgegangen oder gar versunken. Paul Gerhardt, einer der wichtigsten Dichter deutscher Sprache im 17. Jahrhundert. Der wichtigste evangelische Liederdichter. Einige seiner Lieder, kennen Sie vermutlich. „Befiehl Du Deine Wege und was Dein Herz kränkt der allertreusten Pflege, des der den Himmel lenkt.“ Oder mein Lieblingsweihnachtslied: „Ich steh an Deiner Krippen hier, o Jesu, Du mein Leben.“ Oder sein beschwingtes Sommerlied: „Geh aus mein Herz und suche Freud.“ Geht es Ihnen auch wie mir, kaum höre ich diese Zeilen, ist mir schon nach singen zumute.
Im März vor 400 Jahren ist Paul Gerhardt geboren. Als der Dreißigjährige Krieg ausbrach, war er erst 11, wenig später Vollwaise. Er war Zeitgenosse von Jakob Grimmelshausen, der diese Zeit, die unvorstellbare Grausamkeit der europäischen Söldnerheere, beschrieben hat. Paul Gerhardt hat den Krieg nicht so unmittelbar erlebt wie Grimmelshausen. Aber diese 30 Jahre haben sich auch in sein Leben tief eingeprägt. Umso erstaunlicher, dass der amoralische rohe Geist der Zeit ihm so wenig anhaben konnte. Im Gegenteil. Seine geistlichen Lieder und Texte sind alles andere als gefühllos.
Und was noch erstaunlicher ist, seine Lieder sind auf ganz erstaunliche Weise positiv. Sie haben ihm und ungezählten Menschen seither geholfen, das Leben zu bestehen, auch großes Leid zu bewältigen. Dieser positive Geist kommt aus dem Glauben an Jesus Christus: Der hat auch Leid und Tod erlebt und ist uns ins Ewige Leben vorangegangen. Wer ihm vertraut, hat eine unverbrüchliche Aussicht auf Zukunft. Der Glaube an Jesus Christus ist für Paul Gerhardt eine Sonne, die nicht untergeht. Sie wärmt und erhellt das tiefste Dunkel im Leben. Und der Glaube öffnet den Blick auf eine Wirklichkeit über diese dunkle Welt hinaus. Von dieser Aussicht ins Helle ist Paul Gerhardts Poesie beseelt, im Unterschied zu vielen Gedichten großer Zeitgenossen des Barock.
Ein kleines Beispiel zeigt das. Der „Abend“: Für Andreas Gryphius ist „Abend“ ein Symbol für Ende und Vergehen des Lebens. Es zeigt ihm, wie vergänglich der Mensch ist und wie sinnlos er seine Zeit vertut. Eine beinahe schon nihilistische Melancholie atmet diese Poesie. Paul Gerhardt fordert sich selbst am Abend zu neuer Lebendigkeit auf: „Ihr aber meine Sinnen, auf, auf ihr sollt beginnen. Was eurem Schöpfer wohl gefällt.“ Gott zu loben, dazu regt ihn die Dunkelheit an. Seine Lieder fliehen nicht die Realität, sie zünden in ihr ein Licht an. https://www.kirche-im-swr.de/?m=461
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