SWR3 Gedanken

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Mein Vater war so einer von diesen Wochenend-Daddys. Montags bis Freitags hat er ge-arbeitet. Früh am Morgen verließ er das Haus – als ich älter war und auf die weiterfüh-rende Schule ging, konnte ich ihm gerade noch ein verschlafenes „Guten Morgen“ zu-murmeln, dann war er weg. Manchmal kam er zum Abendbrot nach Hause, oft auch erst später, wenn wir Kinder schon im Bett lagen. Die Arbeitszeiten eines Fulltimejobs waren schon damals keine kinderfreundlichen Zeiten.

Aber mein Vater machte etwas, was ich jedem Kind wünsche: Jeden Abend, wenn ich ins Bett ging, hat er sich zu mir gesetzt, hat gefragt, wie der Tag war, hat sich nach diesem und jenem erkundigt, hat sich meine Geschichten angehört, Fragen gestellt. Kurzum: er hat Interesse an meinem Leben gezeigt. Wir haben über die Schule geredet, über alte und neue Freundinnen – halt über alles, was einem kleinen Mädchen so durch den Kopf geht und wichtig ist.
Danach hat er mit mir gebetet. Jeden Abend:

„Müde bin ich geh zur Ruh, schließe meine Äuglein zu.
Vater lass die Augen dein über meinem Bettchen sein.“


Heute bete ich allein zu Gott. Wenn ich Gott dann als Vater anrede – etwa beim ‚Vater Unser’ , dann habe ich genau das Gefühl von damals: diese Nähe und Geborgenheit, wie damals als mein Vater sich abends an mein Bett gesetzt hat. Auch wenn ich heute er-wachsen bin und oft auch Enttäuschungen erlebt habe. Auch wenn ich im Leben allzu oft gesehen habe, dass Väter auch anders sein können: falsch, gewalttätig, gemein. Für mich ist dieses Gefühl geblieben: Gott ist für mich der, der mir zuhört, der jeden Tag für mich da ist, der an mir interessiert ist, der mich unterstützt – komme, was wolle.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4596
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