SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wie gut, dass die Frage nach der Bildung andauernd auf der Tagesordnung steht.
Nicht nur weil es um viel Geld geht – es geht um die Zukunft – um die Zukunft der heranwachsenden Generation. Auch die Evangelischen Kirchen in Baden und in Württemberg haben sich im September (26.9.08) zu Wort gemeldet und erklärt: Bildung sei mehr als nur die Qualifikation für das Berufsleben – Bildung sei im umfassenden Sinn „Entfaltung der Persönlichkeit“.

Was mir besonders aufgefallen ist: wie stark das Kirchenwort die Rolle der Lehrenden gewichtet. Es heißt: „Sie sind Vorbilder und wichtige Gegenüber, sie vermitteln Freude am Lernen, (sie) unterstützen und ermutigen die einzelnen Schülerinnen und Schüler. Sie geben als Person Orientierung.“ Das sind große Worte und sehr hohe Erwartungen. Schülerinnen und Schüler sollen vom Leben ihrer Lehrenden für´s eigene Leben lernen. Lehrende sollen in ihrer Person Orientierung geben, Vorbilder sein.
Ist das eine Überforderung?

Wenn ich mich an Lehrende erinnere, die mich als Schüler geprägt haben –
dann sehe ich die Freudentränen meines Französischlehrers, als er ein Gedicht von Verlaine vorgetragen hat. Und einen Anderen, der uns mahnte, wir würden die Demokratie zu gering achten. Ich entdecke manchmal an mir einzelne sprachliche Wendungen, sogar Körperhaltungen und erinnere: Die hast du doch von dem und von der.

Mir sind Lehrende bis heute Vorbilder. Vorbilder nicht als Kopiervorlage für mein Leben – so ist dieser Begriff zu hoch gehängt worden. Vorbilder vielmehr als Gegenüber, als Orientierung. Keine Helden – aber nahbare Menschen – Menschen, die ihre Freuden zeigen, die ihre Ängste und Fehler eingestehen und ihre Neigungen nicht verstecken – Menschen, die im besten Sinn dazu anregen, sich mit ihnen auseinander zu setzen.
Vorbild sein, das kann einen als Lehrer auch überfordern.
Zur Entlastung der Lehrenden und der Schülerinnen und Schülerinnen – möchte ich an ein Bild erinnern. Immer, wenn ich an mir als Lehrer zweifele, kommt es mir in den Sinn.

Mönche im Bodensee – auf der Insel Reichenau - haben vor 1000 Jahren das letzte Wort Jesu an seine Jünger illustriert. Jesus steht da als Lehrer vor seinen Jüngern, die in den Schulbänken sitzen. „Lehret sie halten alles, was ich euch geboten habe,“ ist sein Auftrag.
Mich tröstet dieses Bild:
Ich bin es nicht – das Vorbild! Da ist ein anderer - mir voraus – ein wirklicher Mensch - einer mit Freuden- und Angsttränen – einer, der zweifelt – und hofft ohne Ende. Einer, der wirklich der Lehrer aller ist – und dem ich abnehmen kann, wenn er sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und Leben,“ (Joh 14,6)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4584
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