SWR2 Wort zum Tag

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„Elendstal“ – so wie der Name dort ist auch die Realität: Menschen wohnen in einfachen Wellblechhütten oder Verschlägen aus Holz und Karton. Kinder spielen am schmutzigen Abwasserkanal. Eine Müllhalde wird nach Essba-rem durchpflügt.
Das „Elendstal“ ist das Slumviertel einer Großstadt in Ostafrika. Natürlich heißt es nicht wirklich so. Nerea, eine junge schwarze Frau aus Afrika, nennt es aber so. Sie ist dort als Sozialarbeiterin unterwegs und erzählt bei einem Besuch in Deutschland von ihrer Arbeit.
Nereas Tätigkeit ist anstrengend und beansprucht sie voll und ganz. Jeden Tag betritt die junge Frau die Hütten vieler Familien, die in völlig verarmten Verhältnissen leben und gerade ihre Gegenwart brauchen. Manchmal kann sie helfen – ganz praktisch: Sie liefert Lebensmittelpakete oder gespendeten Hausrat aus, verabreicht Medikamente, sieht nach den Kindern, die nicht in der Schule erschienen sind.
In den meisten Fällen jedoch ist Zuhören ihre wichtigste Aufgabe. Ohren zu haben, wenn Menschen ihr armseliges Leben vor ihr ausschütten – das ist es, wofür man sie braucht. Dass da jemand ist, der zuhört, eine, die einfach Zeit hat, die Menschen in ihrem Elend anzuhören, das hilft ihnen schon – sagt Nerea in ihrem Bericht.
Sie wird gefragt, warum sie das macht. Weil sie sich als Freundin der Men-schen im „Elendstal“ versteht. Den Armen im Slum etwas von der Lebenskraft abzugeben, die sie selbst in sich spürt, und etwas von deren Sorgen von dort wieder mitzunehmen, ist für sie eine Selbstverständlichkeit. Da gibt es nicht viel zu fragen. Es gilt einfach nur: da zu sein.
Nerea liebt ihren Beruf und sie liebt die Menschen, zu denen sie täglich kommt. Sie ist Christin und tut ihre Arbeit aus dieser Überzeugung heraus. Für sie ist es ein Beispiel praktischen Christseins, was im Alltag, in der zwi-schenmenschlichen Begegnung geschieht.
Und dann kommt eine mit Enttäuschung vorgetragene Kritik an den Kirchen, die mich nachdenklich stimmt. Die Kirchen seien oft nur sonntags da. Im Alltag aber ließen sie ihre „Schäfchen“ allein. Nerea sagt, dass in den biblischen Geschichten über Jesus wenig vom Sonntag die Rede sei, und wenn, dann meistens deshalb, weil Jesus am Sabbat nicht andere Maßstäbe angelegt habe als an jedem anderen Tag. In ihren Augen war Jesus täg-lich auf der Straße. Er hat Menschen an ihren Arbeitsplätzen aufgesucht, saß mit ihnen zuhause zusammen und hat mit ihnen gegessen. Er hatte Zeit für sie und hat ihnen zugehört, einfach nur zugehört.
Für Nerea ist das Gottesdienst. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4562
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