Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ein wohl genährter Dreijähriger in der Badewanne. Ein süßes Kinderlächeln auf Kakao verschmiertem Mund. Das Plakat wirbt für das Lebensmodell „Familie“. Das harmonische, froh machende und bereichernde Zusammenleben von Vater, Mutter und Kind.
Der Werbung ist niemals zu trauen. Auch nicht der Werbung für die Familie. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft, sagt man. Und doch weiß jeder: Die Familienbande fesseln Menschen aneinander, die sich oft zutiefst fremd sind und die sich bis auf´s Blut hassen können und die sich gegenseitig um ihr Erbe bringen möchten. Familienbande ketten Vater und Tochter aneinander, die sich nicht einmal zum Geburtstag gratulieren, oder Ehemann und Ehefrau aneinander, die keine drei Sätze reden können, ohne den anderen zu verletzen. Mit den Familie in der Bibel ist das nicht anders. Kain erschlägt seinen Bruder Abel, Vater Noah betrinkt sich und lässt sich von seinen Töchtern verführen, Jakob überlistet seinen Bruder Esau, Daniel geht fremd, Joseph überlegt sich eine Weile, ob der die schwangere Maria nicht doch besser verlassen sollte. Nirgendwo wird in der Bibel eine Familienidylle dargestellt. Doch das alles ist kein Argument gegen das Lebensmodell Familie.
Gerade weil die Familie kein Hort des Friedens ist, lernen wir für´s Leben. Es war der Theologe Gilbert Chesterton, der einmal gesagt hat: „Wenn wir mit der Geburt in die Familie eintreten, betreten wir eine Welt, die ihre eigenen befremdlichen Gesetze hat, eine Welt, die auch ohne uns auskommt, eine Welt, die wir nicht gemacht haben.“ Die Familie ist gerade darum eine gute Institution, weil sie unbequem ist. „Tante Elisabeth ist unvernünftig, genau wie der Mensch, Papa ist reizbar, genau wie der Mensch. Unser kleinster Bruder ist boshaft, genau wie der Mensch.“ Wir können uns unsere Geschwister, unsere Tanten und Onkel, Mütter und Väter nicht aussuchen und müssen doch lernen, mit ihnen zu leben. Gerade darum bleibt das Lebensmodell Familie das Lebensmodell Mensch.
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