SWR2 Wort zum Tag

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Nur 24 Jahre ist sie alt geworden, aus ihrem Kloster kam sie nicht heraus. Trotzdem wurde sie zur Patronin der Weltmissionen ernannt. Grund genug, heute ihres Todestages zu gedenken. Denn Therese von Lisieux hat eine Menge zu sagen. Vor über 100 Jahren nämlich hatte sie im Glauben Erfahrungen zu bewältigen, die heute vielen vertraut sind. Sie erfährt, wie ihr gelernter Kinderglaube zerbricht. Mehr noch :Was sie von den Eltern lernte, was sie im Kloster brav lebte, trägt auf einmal nicht mehr. Gott, wie sie ihn bisher kannte und liebte, kommt ihr abhanden. Therese sieht sich an den Tisch der Gottlosen versetzt, wie sie schreibt. Mitten im Glauben bekommt sie zu spüren, was Unglauben ist. „Ich WILL glauben“, schreibt sie in Großbuchstaben in ihr Tagebuch. Wie eine Selbstbeschwörung klingt das. Alle Gefühlssicherheit ist ihr verloren gegangen. Eine große Gottesfinsternis macht sich breit.
Wie kommt Therese in dieser tiefen Glaubensnacht zurecht? Sie findet sich nicht ab, sie wächst. Aber Sie hat niemand, mit dem sie wirklich reden könnte. Aber einer ist da noch, und der wird ihr wichtiger denn je: Jesus allein. Therese entdeckt: Die Gottesbilder, die unsereiner sich selbst macht, zerbrechen. Auch die, die wir lernen und gelehrt bekommen. Aber dieser Jesus ist eben nicht nur ein Bild: In ihm findet Therese den entscheidenden Halt, in ihm entdeckt sie den bedürftigen Gott, der Mitliebende sucht. Sie entdeckt ihren Glauben neu. Ein Glaube, in dem nicht mehr das eigene religiöse Bedürfnis im Mittelpunkt steht. Ein Glaube, der nicht auf großartige Gotteserfahrungen zielt. Ein Glaube, der nicht in vielen guten Werken glänzen will. Das ist jetzt alles weg. „Jesus allein, nur die Liebe zählt“ – das erfährt sie. Und das ist kein schmusiges Gefühl, sondern harte Realität im alltäglichen Dienst, wie bei Jesus.
Es ist, als wäre Therese endlich erwachsen geworden im Christsein: alles dreht sich für sie nun um den bedürftiges Gott. Um einen Gott, der den Menschen sucht und ihn brauchen will.. In Jesus hat er ja einen Menschen endgültig schon gefunden, der sich seiner Sache annimmt. Aber er will mehr: Dass das Abenteuer Menschwerdung für alle gelingt. Darin sieht Therese nun ihre einzige Mission. Sie will, dass Gott in Jesus bei den Menschen ankommt.
Bis zu ihrem Tod, heute vor 115 Jahren, hatte Therese in dieser Gottesfinsternis auszuhalten. Mitten in dieser Dunkelkammer des Glaubens aber wurde ihr Bild von Gott und der Welt österlich entwickelt. In der Tat eine Glaubenslehrerin für heute, diese erstaunlich junge Frau.
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