Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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24SEP2008
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Urlaubskarten können ein Beispiel dafür sein, wie die Balance zwischen „Schematischem“ und „Originellem“ zu halten ist. Im vergangenen Sommer habe ich mir den Gag erlaubt für die Urlaubspost einen speziellen Stempel zu benutzen. Stempel auf die Karte drauf, die richtigen Rubriken angekreuzt, also in meinem Fall „Das Wetter ist toll“, „das Essen exzellent“ und „die Unterkunft ist prima“ und ab ging die Post. Einfach, zugegeben schematisch, manche fanden es sogar originell. Ähnlich verhält es sich - muss ich leider zugeben - bei vielen meiner Glückwunschkarten. “Ich wünsche dir alles Gute für dein kommendes Lebensjahr“ steht da oft. Auch das ist schematisch, originell findet das wahrscheinlich keiner mehr. Schema F eben. Aber bringt’s das? Was bringt es, sich hinzusetzen und jemand nach Schema F eine Karte zu schreiben? Will ich da wirklich etwas an Sympathie und Nähe rüberbringen, oder geht es mehr um Pflicht oder gar Angeberei? Was bringt es andererseits etwas ganz individuell zu formulieren? Kommt das überhaupt rüber? Fragen, die ganz eng auch mit unserem Leben und Glauben zu tun haben. Auch da findet sich schematisches und originelles. Man denke nur an das Vater unser, das Glaubensbekenntnis oder den Ablauf eines Gottesdienstes. Da ist vieles vorgegeben und hat seinen festen Platz. So wie in meinem sonstigen Leben auch. Auch hier läuft vieles formelhaft ab. Was nicht schlecht, sondern sogar wichtig ist. Denn es vermittelt Ruhe und Stabilität, Beheimatung und Sicherheit. Man weiß, was passiert und was kommt. Wenn allerdings allzu viel nach Schema F läuft, wird das Leben – und damit auch der Glaube – leer und langweilig. Es hemmt und lässt den Blick für das Neue und Unbekannte, für das, was vielleicht mein Leben lebendiger machen würde, trübe werden. Man bleibt in seinem Lebens- und Glaubensschema und kann sich kaum vorstellen, dass anderes bereichernd sein könnte. Aber um Neues zu erkunden, muss man das Gewohnte hinter sich lassen. Den Urlaubsstempel ereilt genau das: Einmal eingesetzt bricht er gewohntes auf, mehrmals verwendet wird er langweilig. Da gilt es wieder selbst und frei zu formulieren. Beides gehört zusammen. Es ist gut, seinen Lieben aus dem Urlaub zu schreiben. Das darf sich ruhig wiederholen. Und es ist gut, von sich zu schreiben und seiner Nähe zum Angesprochenen. Das ist einmalig und persönlich.  https://www.kirche-im-swr.de/?m=4530
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