SWR2 Wort zum Tag

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Oft klingelt es genau dann, wenn’s gerade gar nicht passt. Erst unten beim Pfarramt, und wenn da niemand aufmacht, bei uns privat. Vor der Tür steht dann meistens einer der Männer, die mehr oder weniger regelmäßig bei uns vorbeikommen und Geld wollen.

Obwohl es gar nicht besonders lohnend ist. Fünf Euro aus der Pfarramtskasse, dazu noch ein kurzes Gespräch und ein Händedruck, mehr gibt’s meist nicht und mehr will auch kaum einer. Dann gehen sie wieder ihrer Wege. Meistens werden die fünf Euro früher oder später im Supermarkt gegenüber in Bier umgesetzt, da bin ich mir ziemlich sicher.

Hat das einen Sinn? Die fünf Euro verändern die Lage der Männer offensichtlich nicht. Könnten wir die nicht woanders sinnvoller einsetzen?
Die Frage stellt sich ja nicht nur bei uns an der Pfarrhaustür, sondern auch – auf etwas andere Weise – für uns alle, wenn wir durch die Stadt laufen.

Vielleicht haben Sie deshalb für sich entschieden: „Bettlern gebe ich grundsätzlich nichts. Die kaufen dafür nur Schnaps. Was soll das? Es gibt doch soziale Einrichtungen, die sich um Suchtkranke und Obdachlose kümmern. Da arbeiten Fachleute, die wirklich helfen können.“

Das Problem ist nur: Die Menschen, die da betteln, werden oft schon von Fachleuten betreut. Sie haben Sozialarbeiter, die ihnen helfen, einen Platz im Wohnheim zu finden und mit ihrem Hartz-IV-Geld klarzukommen; Drogenberater, die helfen, einen Therapieplatz zu bekommen. Diese Helfer gibt es, Gott sei Dank. Denn sie sind bitter nötig.

Aber trotzdem wollen diese Menschen auch etwas von mir und Ihnen. Können wir ihnen denn etwas Sinnvolles geben?

Ich glaube schon. Sicher geht es auch um den Euro für’s Bier. Aber vielleicht geht es auch noch um mehr: Um Aufmerksamkeit, um Respekt. Darum, dass da jemand ist, der einfach freundlich grüßt, und mit dem man vielleicht ein paar Worte wechseln kann, wenn man mag – ohne, dass man gleich darüber Rechenschaft ablegen muss, wie es mit der Therapie und den Schulden steht.

Wenn Sie sich die Zeit dafür nehmen, entwickelt sich allmählich vielleicht sogar eine lockere Bekanntschaft mit der Frau, die immer neben Ihrer Apotheke in der Fußgängerzone sitzt – oder mit dem Mann, der neben Ihrem Stammplatz in der Tiefgarage sein Lager aufgeschlagen hat.

Und ich bin sicher, wenn das passiert, dann geben Sie diesen Menschen etwas Wichtiges. Sie zeigen Ihnen: Es gibt Leute, die sind freundlich zu mir und helfen mir aus. Einfach so, weil ich ein Mensch bin. Ohne Ansehen der Person, ohne besonderen Grund und ohne Kalkül.
Und ich glaube, damit zeigen Sie auch etwas davon, wie freundlich Gott zu uns Menschen ist.
Das ab und an zu erleben, tut gut. Mir übrigens auch.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4501
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