SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Meine Tochter ist zwei und betet gerne. Ihre Tischgebete fangen meistens so an: „Lieber Gott, wir danken uns…“
Klar: Sie hat in der Kirche und zuhause schon Gebete gehört und komponiert sich daraus ihre eigenen. Aber das ist eben noch nicht so einfach. Und deshalb heißt es bei ihr: „Lieber Gott, wir danken uns…“

Anfangs habe ich darüber geschmunzelt. Aber wenn ich es mir recht überlege: Was sie da sagt, ist doch durchaus nachdenkenswert und spannend.
Ohne Frage: Es ist mir zuerst mal wichtig, vor dem Essen Gott zu danken. Weil es ja nicht nur an mir liegt, dass etwas Gutes auf dem Tisch steht. Weil es nicht in meiner Macht steht, ob wir alle gesund zusammen sitzen und Appetit haben. Und weil der Dank für das Essen symbolisch für alles andere steht, das ich Gott verdanke und nicht mir selbst.
Aber die eigenwillige Gebetsversion meiner Tochter erinnert mich daran, dass sich das Danken vor dem Essen ja nicht auf Gott beschränken muss. Im Gegenteil: Wenn ich darüber nachdenke, was ich nicht mir selbst verdanke – dann ist das Tischgebet, der Dank an Gott, die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist der Dank an die Menschen um mich herum: Habe ich meinem Mann schon danke gesagt für’s Kochen? Oder meiner Tochter dafür, dass sie den anstrengenden Großeinkauf klaglos mitgemacht hat? Und was ist mit dem Landwirt, der die Zutaten angebaut und geerntet hat. Und mit den Leuten in der Lebensmittelfabrik, den Verkäuferinnen im Supermarkt...

Eigentlich ist das alles selbstverständlich, sicher. Wenn Menschen zusammenleben, hat eben jeder seine Aufgaben. Und trotzdem tut es gut, wenn jemand dafür danke sagt. Nicht nur, wenn’s ums Essen geht.
Denn es stimmt, dass es nicht nur an uns selbst liegt, ob wir gut leben können. Aber genauso richtig ist, dass es ohne unser Zutun und den guten Willen aller Beteiligten auch nicht funktionieren würde.

Und ich glaube: Es ist auch in Gottes Sinne, dass wir anderen Menschen dafür danke sagen, was sie für uns tun - genauso wie wir ihm dafür danken, was er für uns tut. Die Bibel macht nämlich immer wieder deutlich: Wer seine Beziehung zu Gott pflegen will, der darf auch seine Beziehung zu anderen Menschen nicht vernachlässigen.
Im Vaterunser heißt es deshalb auch: „Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“. Wenn Gott uns verzeiht, dann können und sollen wir auch anderen Menschen verzeihen. So ist es vielleicht ja auch mit dem Danken: „Gott, wir danken dir wie wir auch einander danken“, könnte man formulieren.
Oder mit den Worten meiner Tochter: „Gott, wir danken uns und wir danken dir.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4500
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