Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ich liebe Wilhelm Busch, den Dichter und Zeichner. Er lebte viele Jahre in einem Pfarrhaus. Mit seinem hintersinnigen Humor war er ein scharfer Beobachter menschlicher Schwächen und hatte einen kritischen Blick für falsche Frömmigkeit. Zwei Sätze von ihm haben mich nachdenklich gemacht. In beiden Sätzen geht es um das Alt werden,

"Alte Bäume behämmert der Specht am meisten."
"So ist nun mal die Zeit allhie, // Erst trägt sie dich, // Dann trägst du sie; // Und wann's vorüber, weißt du nie."

Am meisten hat mir die Sache mit dem Specht gefallen. Und die Frage: warum hämmert er so gern an den alten Bäumen herum? Manchmal fühle ich mich nämlich wie ein alter Baum.

Wenn ich gut drauf bin, fühle ich mich sogar so wie der Baum in der Bibel, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit.

Wenn da der Specht nicht wäre. Dieser hübsche Vogel mit den bunten Farben und dem scharfen Schnabel. Er haut ganz schön zu. Und wenn ich drüber nachdenke: er hat mir in meinem Leben schon so manches Loch in die Rinde gehackt, damals, als ich so krank war. Oder, als ich die Wahl zu einem Superposten verlor. Aber das war gut so. Das hat meine Lebenskraft gestärkt. Ein Mensch ist wie ein Baum.

In der Bibel wird uns das immer wieder gesagt. Männer und Frauen werden verglichen mit dem Olivenbaum und dem Feigenbaum, der aufrecht steht, Frucht bringen und Schatten geben soll.

Es ist interessant zu sehen, wie wenig in der Bibel vom Wald aber oft von einzelnen Bäumen die Rede ist. Jeder Baum steht für sich. Jeder von ihnen ist eine Autorität für sich, wie der Mensch.

Ich bin wie ein alter Baum, den ein Specht behämmert. Und zu dem Menschen kommen und gehen, für manche ein Wegzeichen, für andere ein wenig Geborgenheit. Wie gut.
"So ist nun mal die Zeit allhie, // Erst trägt sie dich, // Dann trägst du sie; // Und wann's vorüber, weißt du nie."
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4470
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