SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Was einer erlebt hat, das prägt seinen Glauben und sein Denken. Wer über den Glauben an Gott nachdenkt, tut dies immer auch auf dem Hintergrund seiner eigenen Lebenserfahrungen.
Der Theologe Johann Baptist Metz, der kürzlich 80 Jahre alt geworden ist, berichtet davon immer wieder, zuletzt in seinem Buch „Memoria Passionis – auf deutsch: Das Gedächtnis des Leidens, der Leidenden, das Nicht-Vergessen-wollen derer, die unschuldig gelitten haben. Prägend für Glauben und Denken des Theologen Metz war ein Erlebnis als 16-jähriger Soldat. Da kehrte er von einem Dienstgang zurück und fand die Gruppe seiner Kameraden tot vor. „Ich irrte die Nacht über durch zerschossene, brennende Dörfer und Gehöfte“ - so erinnert er sich – „und als ich am Morgen darauf zu meiner Kompanie zurückkehrte, fand ich nur noch Tote, lauter Tote. … Ich konnte ihnen allen, mit denen ich noch tags zuvor Kinderängste und Jungenlachen geteilt hatte, nur noch ins erloschene tote Antlitz sehen. Ich erinnere nichts als einen lautlosen Schrei.“ (Freiburg 2006, 93f)
Das Bild der Toten hat sich dem Gedächtnis des damals 16-Jährigen eingegraben und blieb dem späteren Theologen zeitlebens als Frage mit auf den Weg gegeben: Was ist mit jenen Toten? Was ist mit den ungezählten unverschuldet Leidenden? Wie kann man von Gott und seiner Gerechtigkeit sprechen angesichts des Elends und des Unrechts in der Welt, das so viele verzweifeln lässt?
Metz bekennt, dass er für diese Fragen keine befriedigende Antwort findet, aber auch, dass diese Fragen ihn bis heute bewegen, ja dass gerade die ‚Nichtbeantwortbarkeit’ dieser Fragen ihn nicht resignieren lässt und nicht passiv macht. Sie drängt ihn vielmehr dazu, immer neu aufzubegehren und nachzufragen. Die Frage nach der Gerechtigkeit führt ihn, so sagt er - nicht von Gott weg, sondern zu ihm hin, sie führt ihn dazu, Gott und sein Wirken zu vermissen und ihm auf der Spur zu bleiben. Gerade weil Fragen offen bleiben - so Metz - kann und will er nicht mit geschlossenen Augen durch die Welt gehen, sondern mit offenem, geschärften Blick für Menschen, die scheinbar sinnlos leiden und ihr Leben verlieren. - so wie einst seine jugendlichen Kameraden
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4456
weiterlesen...