SWR3 Gedanken

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Kennen Sie Michal? Na, die kennt kaum einer. Selbst in der Bibel ist sie nur eine Randfigur. Eine Schachfigur. Ein Opfer. Ein Bauernopfer. Auf dem Schachbrett der Macht. Gab es damals. Gibt es heute. Damals trug sich folgendes zu:

Michal ist eine der Töchter von König Saul. Die sich in den jungen David verliebt, der seit kurzem am Hofe ihres Vaters mit seinem Charme alle Herzen erobert. Was König Saul mit wachsender Eifersucht beobachtet. Und deshalb schließlich seine Tochter benutzt, um den unliebsamen Nebenbuhler um die Macht aus dem Feld zu räumen. Wie geht das zu?

Israel liegt im Krieg mit den Philistern. Deswegen verlangt der schlaue König Saul, dass David ihm als Brautpreis einen Sieg über die Philister bringt. Dann soll er die Hand seiner Tochter bekommen. David wiederum hat auch kein echtes Interesse an Michal. Der hat Interesse am israelitischen Thron. Und als Schwiegersohn des Königs verbessern sich seine Chancen natürlich enorm.

Es kommt, wie es kommen muß. David gewinnt die Schlacht und Michal zur Frau. Aber die merkt schnell, dass bei dieser Heirat keine Liebe im Spiel ist. Und aus Michal, der Verliebten, wird Michal, die Enttäuschte. Eine bittere Frau, die bis zu ihrem Lebensende nur eine Schachfigur auf dem Brett der Macht sein wird.

Ihr Mann David besteigt schließlich den Thron von Israel und wird unsterblichen Ruhm erlangen. Schöne Frauen und viele Kinder gehören zu seinem Leben. Und Michal? Sie wird kinderlos sterben, erzählt die Bibel. Mit anderen Worten: Es gibt gar niemanden, der Grund hat, sich ihrer zu erinnern.

Außer der Bibel. Die hält ihr Andenken hoch. Indem sie Michals Geschichte nicht verschweigt, sondern erzählt. Als Geschichte eines Opfers. Als stellvertretende Geschichte für all die Menschen, die Schachfiguren sind in einem Spiel, das andere spielen. Die verdienen, dass man ihre Geschichte erzählt, damit Spielregeln sich ändern. Damit es irgendwann keine Opfer mehr gibt. Das ist für mich eine Botschaft dieser Geschichte. Eine Geschichte gegen das Vergessen.
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