SWR3 Gedanken

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Kennen Sie Kain? Ja genau. Das ist der, der seinen Bruder Abel erschlägt. Er lockt Abel auf einen Acker, tötet ihn und bringt auf diese Weise die Gewalt in die Welt. Und trotzdem wird er von Gott verschont. Bekommt sogar ein Zeichen auf die Stirn, damit ihm keiner etwas tun kann. Das sogenannte Kainsmal. Komische Geschichte.

Die man dann ein bisschen besser versteht, wenn man den Hintergrund sieht. Kain und Abel. Ungleiche Brüder mit verschiedenen Fähigkeiten. Der eine wird Schafhirt, der andere wird Landwirt. Und jeder schlägt sich durch, so gut er kann. Aber dem Schafhirten gehört damals die Zukunft, während der Landwirt einen schweren Stand hat. Und so kommt nicht nur die Gewalt in die Welt. Vorher kommt der Neid in die Welt.

Denn Kain ist der Landwirt. Der sieht, wie sein Bruder Erfolg hat, während er auf keinen grünen Zweig kommt. Und das vergiftet sein Herz. Mehr und mehr. Bis das Gift nach außen will. Und sich in Gewalt Bahn bricht. Als würde das die Probleme lösen. Tut es aber gar nicht.

Denn mit der ersten Gewalttat der Welt verhält es sich wie mit allen anderen Gewalttaten, die folgen sollen. Sie lösen gar nichts. Sie schaffen neue Probleme. Kains Tat bleibt nicht unentdeckt. Er muss fliehen. Und die Schuld flieht mit ihm. Sie begleitet ihn von nun an ein Leben lang. Und wo vorher der Neid sein Herz vergiftet hat, ist es nun die Schuld, die ihm den Atem raubt. Ob Kain seine Lektion gelernt hat?

Kains Söhne und Töchter jedenfalls nicht. Neid und Gewalt ziehen sich durch die Menschheitsgeschichte wie ein blutroter Faden. Und bis zum heutigen Tag löst Gewalt kein einziges Problem, sondern schafft immer nur noch neue. Und dazu muss es gar nicht erst zum Mord kommen. Gewalt beginnt ja schon da, wo ich einem anderen die Freiheit nehme so zu leben, wie er leben will.

Und das ist für mich eine Botschaft dieser Geschichte. Dass es unsere Menschheitsaufgabe ist und bleibt, unsere Lektion in Sachen Gewalt zu lernen. Einen ersten Schritt tut Gott mit dem Kainsmal. Der Mörder wird nicht zum Abschuss freigegeben. Die Spirale der Gewalt ist unterbrochen, bevor sie richtig begonnen hat. Ein erster Schritt. Die nächsten sind unsere Sache.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4431
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