SWR2 Wort zum Tag

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In den letzten Wochen war die Eskalation mit Händen zu greifen. Zwischen den Streitparteien knisterte es. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, wann der Kon-flikt offen ausbrechen würde – mit unabsehbaren Folgen.
Der Anlass lag auf der Hand: die Energieressourcen waren knapp geworden. In diesem Fall der gemeinsame Weidegrund, von dem die Herden Abrahams genauso zehrten wie die seines Neffen Lot.
„Das Land konnte es nicht ertragen“, heißt es in der Bibel, „dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß, und sie konnten nicht beieinander wohnen.“
Was also tun, wenn die Hirten, die dafür Sorgen tragen müssen, dass ihre Herden satt werden, immer öfter in Streit geraten darüber, wem was zusteht? Was tun, wenn dieser Streit auch das Verhältnis zwischen Onkel und Neffen zu vergiften droht – so ähnlich wie ein Streit in einer Wohngemeinschaft, wenn zwei dasselbe Bett für sich beanspruchen?
Abraham als der Ältere weiß Rat: „Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder.“ Er schaut nach vorn in die Weite des Landes und macht einen Vorschlag: „Trenne dich doch von mir“, sagt er, „willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rech-ten, so will ich zur Linken.“
Ein weiser Vorschlag ist das, ein Vorschlag, der Spielraum eröffnet! Man geht aus-einander, gerade weil man die Beziehung retten möchte. Das ist eben nicht das Ende der gemeinsamen Geschichte. Gerade so kann man einander verbunden blei-ben. Dem jüngeren Lot spielt der weise Abraham sogar die Möglichkeit zu, wählen zu dürfen. Und Lot macht davon Gebrauch.
Biblische Streitkultur ist das – hochaktuell! Wie oft, denke ich, scheitert ein großes Projekt des Zusammenlebens, Zusammenarbeitens, Zusammenwohnens an der Tatsache menschlicher Unverträglichkeit! An der Fixierung aufeinander und anein-ander.
Dass wir in Frieden beisammen wohnen, ist darum mehr als ein frommer biblischer Wunsch. Es braucht dazu die Fähigkeit loszulassen – das Streitobjekt genauso wie die vermeintlichen Streitpartner. Und im Loslassen entstehen dann plötzlich un-vermutete Lösungen des Konfliktes.
Der Weg dahin ist manchmal steinig. Und gelingt oft wirklich nur so, dass man auseinander geht. Um gerade auf diese Weise eine kostbare Beziehung zu retten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4414
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