SWR2 Wort zum Tag

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Im Kloster Hegne am Bodensee ist in diesem Sommer eine nicht alltägliche Ausstellung zu sehen. 21 christliche, jüdische, muslimische und buddhistische Künstlerinnen und Künstler stellen hier ihre Arbeiten aus. Sie wollen einen Dialog zwischen den Religionen führen und die Betrachter ebenfalls zu einem solchen „Dialog des Friedens“ einladen.
Unter den über 100 Werken möchte ich ein Bild herausgreifen. Es nimmt Bezug auf das biblische Gleichnis vom „Schatz im Acker“. „Mit dem Himmelreich“, so heißt es da, „ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn ...“ (Mt 13,44) Das Gleichnis geht noch weiter, aber ich möchte – ebenso wie die Malerin – bei dieser Szene verweilen: Ein Mensch findet überraschend in einem Acker einen großen Schatz. Dazu habe ich ein ungegenständliches Bild mit leuchtenden Farben vor Augen. In die dunklen, erdfarbenen Töne der unteren Bildhälfte brechen von oben helle, lichte Farben des Lebens ein: Grün, Blau, Weiß. Rote Pinselstriche erinnern an Stufen, an eine Leiter, die in die Tiefe des Bildes hinein- oder aus ihr herausführt.
Kann es sein, dass Gott unerwartet und überraschend in das Leben einbricht? Danach fragt für mich das Bild in Verbindung mit dem Gleichnis. Bin ich offen dafür, dass sich inmitten eines erdnahen, dem Alltag und seinen Sorgen verhafteten Lebens plötzlich die Erfahrung eines wunderbaren Geschenks auftut? Dass sich in meinem Inneren auf einmal Antworten vernehmen lassen auf viele Fragen, die mich umtreiben und bedrücken? Bin ich offen dafür, dass durch die Liebe eines Menschen meinem Leben ein Reichtum und ein innerer Glanz geschenkt werden, die durch nichts zu überbieten sind? Oder dass mich ein anderer Mensch durch sein Anderssein in meinen festgefügten Meinungen und Urteilen erschüttert und zum Nachdenken, zum Umdenken bringt? Kann es sein, dass mich der Respekt vor dem, was einem anderen Menschen heilig ist, zu einer neuen Tiefe des eigenen Glaubens führt?
Der Schatz im Acker, das überraschende Geschenk. Erfahrung von sinnerfülltem Leben und von großer Freiheit. Ahnung dessen, was die Bibel das „Himmelreich“ nennt. Gott will sich im Alltag menschlichen Lebens suchen und finden lassen - überraschend, tiefer als alle Worte und Bekenntnisse, in denen die Religionen diese Erfahrung ausdrücken. Dass Gott in unser Leben einbrechen kann – das ist eine Urerfahrung religiöser Existenz. Sie verbindet - unendlich viel mehr als alles, was uns unterscheiden mag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4408
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