SWR2 Wort zum Tag

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In diesem Sommer bin ich im Kloster Hegne am Bodensee auf eine bemerkenswerte Ausstellung gestoßen. „Dialoge eröffnen. Religionen begegnen sich in der Kunst“, so lautet ihr Titel. 21 Künstlerinnen und Künstler haben über Werke zur Verfügung gestellt. Sie sind Christen, Juden, Muslime und Buddhisten und wollen Beiträge zu einem Dialog des Friedens leisten.
Ich bin von diesem Projekt fasziniert. Wie häufig wird heute mehr das Trennende als das Verbindende zwischen den Religionen betont. In Palästina scheinen Juden und Muslime von einem Frieden weit entfernt zu sein Der Islam wird oft mit Aggression gleichgesetzt, und zwischen Christen und Juden schieben sich immer wieder Missverständnisse und Irritationen. In dieser Zeit wenden sich Künstler gegen den viel beschworenen „Kampf der Kulturen“ und suchen den Dialog zwischen Religionen und Kulturen. Ohne diesen Dialog ist kein Friede möglich.
Die einzelnen Werkgruppen der Ausstellung sind überschrieben mit menschlichen Grunderfahrungen: „Miteinander“ lautet einer der Titel, oder „Erinnerung“, „Schmerz und Leid“ und „Angesichts des Todes“. Dem 11. September ist eine Reihe von Arbeiten gewidmet. Aber auch: „Arche Noah und die Rettung des Menschen“. Ursehnsüchte kommen hier zur Sprache, Urbilder der Hoffnung, die die Menschen über so viel Trennendes hinweg verbinden.
Auf dem Ausstellungsplakat ist die Fotografie eines jüdischen Künstlers zu sehen, der bei Jerusalem eine überdimensionale Installation mit drei antiken Säulen geschaffen hat. Er bezieht sich damit auf ein Wort aus dem jüdischen Talmud: „Auf drei Säulen ruht die Welt: Wahrheit, Recht, Frieden.“ Wahrheit, Recht und Frieden – ohne sie ist ein Leben in Würde nicht möglich. Und sie deuten zugleich an, wie erlösungsbedürftig wir sind. Denn Wahrheit ist immer durch Täuschung bedroht. Das Recht bleibt immer hinter der Gerechtigkeit zurück. Und ein umfassender Friede war und ist zu allen Zeiten die große und doch noch nie eingelöste Utopie. Wahrheit, Recht und Friede – sie sind durch Politik immer anzustreben, aber nicht im letzten zu erreichen, schon gar nicht sind sie durch Gewalt zu erzwingen. Sie weisen uns auf eine Macht hin, die alle menschliche Macht in ihre Grenzen weist und der wir uns nur in Demut anvertrauen können. „Von der Gnade gelingenden Lebens“, so lautet eine der Überschriften der Ausstellung. Gelingendes Leben ist und bleibt bei allem Bemühen Gnade. Auf sie sind wir angewiesen, und das verbindet uns. Das ist der Kern jeder Religion. Und die Kunst kann uns dafür offen machen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=4407
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