SWR2 Wort zum Tag

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Mainz ohne Dom, Speyer ohne Dom, Worms ohne Dom? Kaum vorstellbar. Die gro-ßen Kirchen gehören einfach zum Stadtbild dazu. Aber auch in kleinen Gemeinden und Dörfern sind vor allem die Kirchtürme Teil des Ortsbildes. Ich finde das ganz normal. Und vielleicht ist mir deshalb aufgefallen, dass andere das nicht so sehen. Zum Beispiel der Künstler James Rizzi.
Der New Yorker hatte jetzt eine tolle Ausstellung in Mainz. Über tausend Bilder gab’s da zu sehen. Und aus allen springt einen das Leben förmlich an. Knallbunt, einfach, manchmal sehr kindlich sind die Werke von Rizzi. Wichtigstes Motiv: Stadt-ansichten. Auf denen finden sich überall lachende Gesichter, Häuser grinsen einen an, Hochhäuser scheinen zu tanzen. Den Menschen geht’s gut und selbst die Autos wirken bei Rizzi fröhlich.
Als ich durch die Ausstellung ging, hat mich diese Fröhlichkeit angesteckt. Doch dann fiel es mir auf. In den Stadtansichten des Künstlers gibt’s bunte Häuser zu-hauf, haben Eifelturm und Freiheitsstatue ein Schmunzeln im Gesicht. Nur eins gibt es bei James Rizzi nicht: Kirchen. Ihm scheinen sie nicht wichtig zu sein. Mir geht das anders. Ich gehe gern in eine Kirche. Ich brauche Kirchen. Für mich sind die Kirchen in Dörfern und Städten allerdings mehr als nur Kulturdenkmäler, die die Silhouette prägen. Die Kirche markiert häufig genug die Mitte eines Ortes. Kirchen stehen oft in der Kreuzung wichtiger Wege, auf kleinen Hügeln, an Knotenpunkten der Welt. Und sie bieten so eine neue Sicht auf diese Welt an. Sie führen nämlich den Blick aus der Ebene in die Höhe. Ihre Türme sind Zeigefinger in den Himmel und verbinden Himmel und Erde. Sie machen deutlich: Leben besteht aus mehr, als nur dem Blick nach vorn, dem Blick auf die nächsten Aufgaben, Termine, Besor-gungen. Kirchen sagen: Leben braucht auch den Blick nach oben, braucht Perspek-tiven. Mir geben Kirchen so auch immer wieder den Anstoß, die Welt neu anzuse-hen. Einen neuen Blick auf die Welt zu wagen.
Ohne Kirchen sind unsere Städte nicht nur weniger schön. Ihnen fehlt auch ein wichtiger Aspekt: Die Einladung, den Blick nach oben zu richten. Deshalb fehlen mir die Kirchen auf den bunten und optimistischen Bildern von James Rizzi
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4380
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