SWR2 Wort zum Tag

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Politiker geben immer wieder Anlass zu Aufregung. Die da oben, die machen eh, was sie wollen – höre ich oft und denke es bisweilen sogar selbst. Immer wieder gibt’s Situationen, in denen zu Recht gefragt wird: Wie viel Bodenhaftung haben Politiker überhaupt? Was kriegen sie mit vom Leben einfacher und ganz normaler Leute? Und wie können sie noch für diese ganz normalen Leute, für ihre Wähler da sein?
Heute denkt die Katholische Kirche an Gregor den Großen. Papst, Kirchenlehrer – und Politiker. Denn Gregor studiert im sechsten Jahrhundert Verwaltungswesen, wird mit 30 Jahren Verwaltungschef im frühmittelalterlichen Rom. Und auch Jahre später, als Papst, macht er immer noch Politik.
Doch Gregor hat auch viel über Politik nachgedacht. An den Westgotenkönig Recca-red schreibt er in einem Brief: „Die Regierung eines Reiches muss mit großer Mäßi-gung ausgeübt werden. Der Besitz der Staatsgewalt soll nicht die Seelen der Men-schen zerstören. Die Mächtigen sollen nicht im Zorn ihre Entscheidungen treffen, sondern in kluger Überlegung handeln.“ Hört sich gut an. Gregor macht klar: Gier nach Macht, Missbrauch von Macht schadet; Macht braucht vor allem Klugheit – und soll für die Menschen da sein. Als Gregor das schreibt, sind große Teile der Be-völkerung verarmt. Wenige Reiche besitzen fast alles. Und das führt auch im sechs-ten Jahrhundert zur Politikverdrossenheit. Warum soll ich mich für mein Land ein-setzen, für das Land kämpfen, fragen sich die Armen, wenn doch meine Stimme nichts zählt? Wenn die Politiker nicht für die Menschen da sind?
Vierzehnhundert Jahre ist das her. Aber die Zeiten scheinen sich nicht geändert zu haben. Auch heute kann immer wieder gefragt werden, wo die Politik und die Politi-ker für die Menschen da sind. Doch ganz so einfach ist das nicht. Auch das zeigt das Beispiel des Gregor. Denn der Papst erlebt selbst, wie schwierig es ist, klug und maßvoll zu regieren. Gregor zeigte sich nämlich auch als Machtmensch. Er stärkte das Papsttum gegenüber den anderen Bischöfen. Er begründete den Vatikan, den Kirchenstaat. Trotzdem ist es nicht falsch, was er sagt. Der Anspruch, den er for-muliert, bleibt: Macht ist nicht um ihrer selbst willen da. Macht ist dazu da, sie für die Menschen einzusetzen, die machtlos sind.


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