SWR2 Wort zum Tag

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29AUG2008
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Das Münster auf der Insel Reichenau ist eine wunderschöne romanische Kirche mit einem gotischen Chor. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Bau immer mehr erweitert. Unermüdlich arbeiteten die Mönche der Reichenau an ihrem Haus Gottes.
Christen waren schon immer leidenschaftliche Baumeister. Vielleicht liegt das daran, dass sich schon der Apostel Paulus als Baumeister verstanden hat. Er arbeitete auf einer Baustelle mit Arbeitsteilung. Paulus war für die Grundsteinlegung zuständig, andere sollten auf diesen Fundamenten die Gemeinde weiter aufbauen. Denn Kirche ist mehr als Stein und Mörtel, es sind die Menschen, die an einem lebendigen, atmenden Bau mitarbeiten, einer Kirche aus Fleisch und Blut, mit ihren Begabungen und ihrer Persönlichkeit. Das Fundament aber, so schreibt es Paulus, ist Jesus Christus selbst.
Auf diesem Fundament bauen Menschen seit 2000 Jahren. Nicht immer ist der Bau ein großer Wurf, schon Paulus merkt kritisch an, dass einige seiner Nachfolger mit Heu und Stroh bauen. An der Qualität des Fundaments ändert das jedoch nichts. Und auf diesem Fundament bauen alle mit, ob sie nun große Apostel oder kleine Dilettanten sind, Meister ihres Fachs oder engagierte Laien.
Das Fundament trägt alle.
Ich finde, das ist sehr tröstlich. Möglicherweise bringe ich, so sehr ich mich auch anstrenge, auf dem Bau nichts anderes als Strohwände zustande. Nebenan entsteht ein Fenster aus Edelstein, ich schaffe das nicht. Mein Beitrag zur lebendigen Kirche aus Fleisch und Blut ist nicht so beeindruckend wie der anderer. Ich kenne sehr gut meine Grenzen. Und ich baue trotzdem weiter, mit meiner kleinen Kraft, mit meinen eingeschränkten Möglichkeiten. Edelstein und Stroh haben einen gemeinsamen Grund.
Auf der Reichenau haben sich die alten Kirchen in dem späteren Bau erhalten.
Die Fundamente der ältesten Kirchen liegen unter dem Boden des nördlichen Seitenschiffs. Ihre Mauern sind verbrannt oder abgebrochen worden, ihre Fundamente sind bewahrt. Anhand dieser Reste können Wissenschaftler feststellen, wie der Bau einmal ausgesehen hat.
Meine Strohwand wird wahrscheinlich nicht die Zeiten überdauern. Doch Gott wird dank meines Fundaments genau wissen, wer ich bin und war, und irgendein Hälmchen wird sich schon in einem gebrannten Ziegel erhalten. Manchmal denke ich, es wäre schön, wenn ich mit Edelsteinen bauen könnte, wie andere, oder mit Gold und Silber. Doch zuletzt finde ich: Auch für eine Strohwand gibt es kein besseres Schicksal, als auf dem Fundament Jesus Christus gebaut zu werden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4362
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