SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Die Frau, die ich besuchte, war über neunzig aber im Kopf topfit. Wir kamen ins Gespräch über ihr Leben:
Im Krieg war sie eine junge Frau und Mutter. Ihr erstes Kind starb früh an Schwindsucht. Mit ihrem Mann hatte sie sich eine kleine Schreinerei aufgebaut, als der Krieg mit aller Brutalität zuschlug: Ihr Mann wurde eingezogen und in einer einzigen Bombennacht starben alle ihre Familienangehörigen in den Trümmern der beiden Familienhäuser, ihre eigene Schreinerei Ging mit in Flammen auf. Also hieß es: In allem Chaos wieder von vorne anfangen. Eine echte Trümmerfrau!
„Wie haben Sie das alles geschafft?“ fragte ich sie. Und sie sagte:
“Wissen sie: Ich hab gebetet. Ich hab geglaubt, dass Gott mich schon dahin bringt, wo er mich haben will. Das war nicht immer leicht! Aber: Ohne ihn wäre ich doch noch viel ärmer dran gewesen! Da hätte ich das alles gar nicht geschafft!“
Ich staunte: bei dem, was die Frau alles erlebt hat, den Glauben so fest zu halten – wirklich bewundernswert. Ich selbst komme bei viel geringeren Sachen ins Grübeln wie das ist mit Gott und seinem Weg für mich. Sich an der Hoffnung festzuhalten, dass Gott schon den Weg für einen weiß, ist manchmal so mühsam!
Ich habe mich gefragt: was hilft mir eigentlich in Krisen trotzdem weiterzugehen? Was hilft mir, Gott zu vertrauen? Ich glaube, es ist manchmal die Erinnerung an viele Bergwanderungen: Den Gipfel, das Ziel meiner Wanderung kann ich vielleicht in der Ferne erahnen: Den Weg dahin sehe ich unterwegs längst nicht immer. Kurven und Hügel verstellen mir die Sicht. Es hilft nur eins: Tief Luft holen, Schritt für Schritt weitergehen, darauf vertrauen, dass ich auf dem richtigen Weg bin, einen guten Wanderführer habe. Nicht nur einmal denke ich vielleicht, ich laufe einen Umweg. Aber dann stehe ich oben und sehe zurück. Ich sehe den ganzen Weg und verstehe auf einmal, dass mein Weg gar nicht anders gehen konnte, um mich zu diesem Ziel zu führen. Ich glaube, genau so war die alte Frau ihren Lebensweg gegangen.
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