SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Die Kirche hat doch Kohle ohne Ende! Seht euch doch nur mal die ganzen Dome und Kirchen an! Was da ein Geld drinsteckt! Die sollten das Geld lieber mal für die armen Menschen in der so genannten Dritten Welt nehmen, dann wäre der Hunger ganz schnell rum!“ Als Pfarrerin höre ich das öfter.
Ich war in diesem Sommer in einigen Hansestädten in Nord- und Ostdeutschland und bin da durch die riesigen alten Backsteinkirchen gegangen. Sehr schön und gut restauriert. Ich war begeistert. In jeder Kirche stand eine große Truhe für Spenden und die Menschen haben fleißig ihren Obolus dort eingeworfen. Über einer Truhe hing ein Schild: „Wir benötigen noch 900.000,-- Euro für die Sanierung unseres Turmes! Wir danken Ihnen für Ihre Mithilfe!“ Dieses simple Schild hat mir mit einem Schlag bewusst gemacht: um welche riesigen Summen es hier geht! Und das war ja nur eine einzige Kirche!
Gewiss, Kirchen sind Kulturgüter, Kirchen sind historische Baudenkmäler. Aber rechtfertigt das die Ausgabe solcher Summen? Kann man mit diesem Geld nicht besser Menschen helfen – ganz konkret auch hier bei uns wo die Armut wächst?
Jesus wird einmal eine ähnliche Frage gestellt: Eine Frau reibt seinen Kopf mit immens kostbarem Öl ein. Die Jünger können es nicht fassen: so eine Verschwendung! „Hätte man das Öl nicht besser verkauft und den Erlös den Armen gegeben?“ fragen sie Jesus. Und der antwortet sinngemäß:„Arme werden immer mit euch leben, denen ihr helfen könnt. Aber mich habt Ihr nicht mehr lange. Wenn ihr mir was Gutes tun wollt, dann tut es jetzt.“ Mir sagt das für unsere Frage: Manche Dinge müssen einfach direkt angegangen werden, sonst hat man die Chance dazu verpasst. Das kann sein, dass man unmittelbar Not lindert, wenn sie einem vor Augen gestellt wird. Das kann aber eben auch sein, dass man eine wunderbare Kirche vor dem Verfall bewahrt. Wenn ich das jetzt nicht tue, habe ich die Chance vielleicht auf alle Zeit verschenkt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4346
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