Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Am siebten Tag, steht in der Bibel, da hat Gott sich ausgeruht. Denn 6 Tage lang war er schöpferisch tätig. Hat die Welt erschaffen und alles, was kreucht und fleucht. Aber danach war Ruhe. Eine göttliche Ruhe.

Wie ist das, wenn man schöpferisch tätig, also kreativ ist? Johannes Schreiter, der berühmte Glaskünstler, hat mir einmal erzählt, wie das bei ihm ist. Bis so ein Glasfenster wie das in der Heilig- Geist Kirche von Heidelberg oder dem Ulmer Münster entsteht. Das, erzählt er, das ist ein langer Prozess.

Wenn er in einer meist alten Kirche neue Fenster schaffen soll, dann setzt er sich erst einmal viele Stunden in diese Kirche. Sitzt einfach nur da und lässt sie auf sich wirken. Die Höhe und Weite, die Steine, das Licht und die Farben.
Wenn er all all das in sich aufgesogen hat, geht er nach Hause und fängt an zu brüten. Der erste Entwurf wandert ziemlich bald in den Papierkorb. Der zweite und der dritte auch. Fast zwei Wochen skizziert und verwirft er. In der Zeit sei er kaum zu genießen. Tagsüber laufe er wie ein Tiger durch die Wohnung und nachts könne er schlecht schlafen. Manchmal wache er nachts stöhnend auf. Dann muss er sofort aufzeichnen, was er geträumt hat. Weil es so flüchtig ist, dass er es morgens schon vergessen hat. Manchmal ist das dann die bahnbrechende Idee.
Und woher wisse er, wann es gut ist? Will ich wissen.
„Es muss alles Geschmäcklerische und jeder unnötige Schnörkel weg sein, sagt er. Es muss die nur noch die einfache schlichte Form übrig bleiben, dann bin ich zufrieden“, sagt er.

Die einfache, schlichte Form. Die doch so aufregend ist, dass sie jeden Betrachter innerlich bewegt. Was für ein aufreibender schöpferischer Akt für ein einziges Glasfenster. Ob Gott es mit seiner Schöpfung ähnlich gegangen ist? Wie viele Entwürfe hat er wohl gemacht? Wie viele wieder zerrissen. Bis alles so harmonisch aufeinander abgestimmt war. Planeten und Galaxien, der Lauf der Sterne, die Erde mit ihrem Ozonmantel und das ganze biologische Gleichgewicht zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen! Die einfache, schlichte Form. Naja, ein paar unnötige Schnörkel gibt’s vielleicht schon, vor allem bei Adam und seiner abgründigen Seele. Und für Eva musste er auch erst mal üben. Aber was für eine schöpferische Vielfalt breitet sich vor uns aus, wenn wir nur die Augen aufmachen.

Heute ist Sonntag. Da dürfen wir diesem Geheimnis des unendlich schöpferischen Kraftaktes Gottes ein bisschen nachspüren. Und der göttlichen Ruhe danach.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4320
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