SWR2 Wort zum Tag

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Noch heute bekommt man im alten Olympia eine Ahnung davon, was das für ein Wallfahrtszentrum war. Die großen Säulen vom Tempel des Zeus, des Göttervaters, erinnern daran, manch andere Gotteshäuser drum herum, Wohnungen für Priesterschaft und Tempelpersonal. Vor allem ist es die heilige Straße, aufwendig und kunstvoll gepflastert, die durch den Torbogen hinausführt zu den Kampfstätten. Die olympischen Spiele waren, wortwörtlich, ein Fest für die Götter. Natürlich war es ein Höhepunkt auch für die Menschen, für die Sportkämpfer erst recht. Die unterschiedlichen Stämme und Städte vertieften ihre Zusammengehörigkeit im Heiligtum und auf dem Sportplatz. Aber die sportlichen und musikalischen Wettbewerbe standen ganz im Zeichen der göttlichen Gegenwart. Es war ein jubelndes und zugleich rituell streng geordnetes Zusammenspiel von Göttern, Menschen und Umwelt.
Das ist lange her. Was haben die olympischen Spiele heute noch mit Religion zu tun? Geschäftliche und finanzielle Interessen prägen das Großereignis immens, die politischen Verwicklungen sind offenkundig, der Fackellauf schon hat’s gezeigt wegen Tibet und die Nachrichtensperre zeugt von riesiger Angst. Von Göttern keine Spur bei diesem Event; dass es einmal heilige Spiele waren, förmliche Gottesdienste, weiß kaum einer mehr. Gewiss: Manche Sportler und Sportlerinnen bekreuzigen sich gar am Start oder beim Erfolg, aber wo früher neben den Sportstätten die Tempel standen, wachsen heute gigantische Hochhäuser in den Himmel. Und im Zentrum der Spiele in Peking steht der aufregende Bau des Olympiastadions – selbst ein Tempel der keine anderen braucht. Ist der Sport selbst zur Religion geworden oder das Geschäft?
Und doch ist eines geblieben, und das ist nicht wenig: Der prinzipielle Wille zu Fairness und Gemeinschaft, auch der Sinn für geregelte Abläufe. In solchen Lebensordnungen spiegeln sich die Gesetze der Götter, sagte man damals. In den Spielregeln und dem sportlichen Ablauf bildet sich etwas ab von der Ordnung des Ganzen, vom Kosmos und seiner Schönheit. Die Disziplin im Sport wird zum Training für ein geordnetes Leben. Und solch innere Ordnung hat immer mit authentischer Religion zu tun.
Ein unbekannter Schüler im Neuen Testament legt seinem verehrten Lehrer Paulus folgende Lebenssumme in den Mund, und das ist ein christlicher Akzent für diesen Tag: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Siegeskranz der Gerechtigkeit bereit...“ (2 Tim 4,7ff).


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