SWR2 Wort zum Tag

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Sommerzeit – Erntezeit. Der Duft der reifen, herunter gefallenen Früchte, die ihr Aroma verströmen: Äpfel, Pflaumen, Birnen, die abgeernteten Getreidefelder – das ist für mich das Parfüm des Sommers schlechthin. Höhepunkt des Wachstums - aber auch sein Finale. Denn einen bitteren Beigeschmack hat das Ende eines Sommers auch: Die Zeit der Reife ist Vorbote der Vergänglichkeit. Das Ende eines Sommers ist auch ein bedrückendes Sinnbild für menschliches Werden und Vergehen. Der Dichter Günter Eich sucht und findet Trost. Sein Gedicht „Ende eines Sommers“ beginnt so: „Wer möchte Leben ohne den Trost der Bäume! Wie gut, das sie am Sterben teilhaben.“ Für Günter Eich dämpft das den bitteren Beigeschmack: Ich bin nicht allein. Den anderen Mit-Kreaturen geht es auch nicht besser als uns Menschen - sie wachsen und vergehen - „wie gut, dass sie am Sterben teilhaben.“ Ein Trost, den ich nachempfinden kann.

Und doch: für mich ist am Ende eines Sommers, am Ende einer Kreatur – nicht nur Einverständnis mit dem Ende. Ich höre vielmehr den göttlicher Einspruch gegen Werden und Vergehen – zu Gunsten des Lebens: Im Gebet des Mose hört sich das so an: „Der du die Menschen lässest sterben, Gott, aber sprichst: »Kommt wieder Menschenkinder!«“ (Psalm 90,3) Dieses Aber Gottes – dieses Eingreifen Gottes – hat in der christlichen Hoffnung seinen Grund in der Auferstehung Jesu: Unser Leben hat Zukunft, bei Gott. Das Osterwunder hat die Erfahrung von Werden und Vergehen radikal verwandelt – auch am Ende eines Sommers. Paul Gerhardt hat darum - in seinem Sommerlied „Geh aus mein Herz und suche Freud“ - die Freude am Sommer – am Wachsen und Gedeihen - gleichsam überboten. Nach acht Strophen Bestaunen und Bewundern der Schöpfung und dem Wissen darum, dass diese Pracht vergeht, bricht er aus in einen Jubel über einen zweiten Garten, den „himmlischen Garten“ (EG 449,12), auf den er zulebt. Nicht dass er die Freude an Pflanzen, Tieren und dem Segen der Ernte klein redet oder fromm verächtlich macht. Die Freude am irdischen Garten Gottes weckt und steigert vielmehr seine Freude am „himmlischen Garten“ (EG 449,12). Mir hat sein Lied einen Sinn eröffnet für jenen anderen Garten – mit Christus als Gärtner, den Paul Gerhardt so besingt:
„Welch hohe Lust, welch hoher Schein - wird wohl in Christi Garten sein...
Erwähle mich zum Paradeis - und lass mich bis zur letzten Reis
an Leib und Seele grünen...“ (EG 503,10,15)
Ich vernehme am Ende eines Sommers seither zwei Parfüms: das Parfüm der irdischen Gärten und das Parfüm des himmlischen Gartens. Sie vertragen sich gut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=4298
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