SWR2 Wort zum Tag

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Vor ein paar Wochen sagte mir eine ältere, geschiedene Frau, als wir über das neue, geplante Personenstandsrecht in Deutschland ins Gespräch kamen: „Dieses Gesetz hätte mir den Boden weggezogen. Wenn ich in meiner Ehe keine finanzielle Sicherheit gehabt hätte, dann könnte ich jetzt nicht auf eigenen Füßen stehen.“
Was ist vom Gesetzgeber geplant? Zum Jahreswechsel soll für eine kirchliche Heirat künftig keine standesamtliche Eheschließung mehr Voraussetzung sein. Staatliche und kirchliche Heirat wären dann wieder voneinander getrennt. Gott sei Dank, sagen die einen, nun werden Zuneigung und materielle Interessen nicht länger vermischt. Die pure Liebesheirat wird religiös möglich.
Aber ist das so ganz ohne Haken und Ösen? Wenn ein Heiratsantrag künftig mit der Gegenfrage beantwortet wird: „Heiratest du mich aus Liebe oder wegen des Geldes?“
Wie anders kann die Antwort lauten, als: „Was denkst du nur, natürlich aus Liebe.“
Und der nächste Satz, der könnte dann bald lauten: „Dann lass uns religiös heiraten – vor Gott – die Finanzen lassen wir außen vor.“
Das von mir ausgedachte, intime Gespräch der Liebenden lässt ahnen: So ganz lassen sich Liebe und Geld nicht trennen. Gewiss: In Liebe verbunden sein, das können Menschen mit und ohne Ehe. Dem freien Spiel der emotionalen Kräfte steht niemand im Weg.
Und viele Eheverträge schließen heute auch sehr bewusst ein gemeinsames Vermögen aus.
Doch ein Mindestmaß an gegenseitigem, materiellem Schutz - Unterhaltsansprüche, Versorgungsansprüche und dergleichen, - das die schützen staatliche Ehegesetze.
Seit 1875 ist in Deutschland die standesamtliche Zivilehe Voraussetzung für eine religiöse Heirat. Martin Luther hat schon vor bald 500 Jahren das moderne, zivilgesellschaftliche Verständnis von Ehe auf den Begriff gebracht: „Die Ehe ist einweltlich Ding.“ Diese Zivilehe ist in unserem Rechtsgefüge ein Vertrag zum gegenseitigen Schutz der Ehepartner und der Angehörigen, zuallererst der Kinder.
„Die Ehe ist nicht das Paradies – aber sie kommt aus dem Paradies...“, so sagt es einmal der schwäbische Theologe Paul Schempp. Und dieser Geschmack vom Paradies hat nicht nur eine gefühlige, emotionale Seite. Für mich gehört dazu auch und gerade die materielle Solidarität. Liebe geht nicht nur durch den Magen. Ich finde: Liebe geht auch durch das Portemonnaie. Gelebte Liebe ist auch ein Stück materielle Solidarität. Die standesamtliche Zivilehe schützt sie. Verbindlich.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4296
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