SWR3 Gedanken

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Der Abschied kam plötzlich. Eine Ordensfrau, die Jahrzehnte in unserer Stadt gelebt und gearbeitet hat, die zu einer festen Größe im kirchlichen und politischen Leben geworden ist, ist gegangen. Ihr Orden hat ihr nun, mit 65 Jahren, noch einmal eine neue Aufgabe übertragen, weit weg von hier. Vielen, die sie kannten, blieb die Entscheidung des Ordens unverständlich. Warum bloß, nach so langer Zeit? Sie selbst hat es schlicht so kommentiert: Ich habe halt einmal Gehorsam geschworen.
Gehorsam. Nicht nur jedes Ordensmitglied, auch jeder katholische Priester schwört ihn seinem Oberen. Das Wort ist bei uns nicht zu Unrecht verpönt. Als blinder Kadavergehorsam, der eigenes Denken und moralisches Empfinden ausblendet, hat er vor 70 Jahren schließlich ein ganzes Land in den Abgrund geführt. Genau darum jedoch sollte es in der Kirche niemals gehen. Doch was meint Gehorsam dann?
Das Vorbild ist Jesus selber. Den Menschen gegenüber, auch den Mächtigen, blieb er Zeit seines Lebens souverän und unbestechlich. Verantwortlich fühlte er sich nur gegenüber Gott, den er liebevoll Vater nannte, bis in den gewaltsamen Tod hinein. Wenn heute ein Christ also seinem Oberen Gehorsam gelobt, dann stellt er sich damit ganz bewusst in die Tradition Jesu. Das heißt aber nicht: Ich gebe nun Verstand und freien Willen bei meinem Vorgesetzen ab. Gehorsam im Sinn des Evangeliums meint vielmehr, seine Fähigkeiten und Begabungen voll und ganz einzubringen in den Dienst an der Sache Jesu. Dass das mitunter auch ungeliebte oder schmerzhafte Entscheidungen bedeutet kann, liegt auf der Hand. Dann freilich kann es durchaus hilfreich sein, wenn ein anderer von außen diesen Anstoß gibt und einem womöglich eingefahrenen Lebens- und Glaubensweg noch einmal frischen Wind verpasst.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4293
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