SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

An einem warmen Sommerabend bei einem kühlen Bier und einem guten Buch auf der Terrasse sitzen, solange, bis die Sonne endgültig untergegangen ist. Das höchste der Gefühle! Für sie und mich vielleicht, aber ich kenne inzwischen genug Menschen, die so etwas einfach nicht genießen können, weil sie nicht mehr zu Ruhe kommen. Menschen, die selbst an einem Sommerabend auf der Terrasse vor allem daran denken, was sie noch alles erledigen müssen, die offensichtlich irgendwie verlernt haben, was Müßiggang heißt. Die Leute nehmen ihren Stress mit in die Freizeit, meinte einmal ein Bergführer, der Großstädtern das Gebirge nahe bringt. Oft sind es Leute, die auch ihren Urlaub dazu nutzen, sich sogleich verbissen an neue Höchstleistungen zu machen.
Müßiggang hat in einer auf Leistung getrimmten Gesellschaft kein allzu hohes Ansehen. Wer nichts leistet, gilt bei uns auch nichts, ist nichts wert, fühlt sich sinn- und nutzlos. Kein Wunder also, wenn Menschen, die man gegen ihren Willen aus der Leistungsgesellschaft aussortiert hat, oft richtig krank werden. Umgekehrt genießt noch immer derjenige besondere Hochachtung, der eigentlich nie zur Ruhe kommt, der sich wortwörtlich „aufopfert“ – wofür auch immer.
Echte Lebensqualität aber, da bin ich mir sicher, liegt wie so oft ziemlich genau dazwischen. Jeder braucht eine sinnvolle Beschäftigung, aber genauso bewusste Zeiten der Ruhe, des Nichtstuns, ja der Leere. Dort könnten wir nämlich jemand begegnen, den wir vielleicht schon lange nicht mehr getroffen haben: Uns selbst und dann, tief in uns drinnen, sogar Gott.

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