SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Eigentlich machen sie nur, was sie tagtäglich tun und trotzdem wollen ihnen plötzlich hunderttausende dabei zuhören - beim Beten nämlich. Die Rede ist von jenen österreichischen Zisterziensermönchen, die es neuerdings mit ihren gregorianischen Gesängen bis ganz oben in die CD-Charts geschafft haben. Dabei lassen sie sogar Giganten wie Madonna hinter sich. Doch was fasziniert plötzlich wieder an diesen mehr als 1000 Jahre alten Gesängen? Der New Yorker Neurologe Oliver Sacks hat in seinem neuen Buch gerade beeindruckend beschrieben, dass Musik nicht in erster Linie unseren Verstand berührt, sondern viel tiefer geht. Sie dringt, bildlich gesprochen, tief in unser Gehirn ein. Wir Theologen würden vielleicht sagen, sie berührt unsere Seele. Wer je in einem Kloster still dem Chorgebet gelauscht hat, sich vom meditativen Rhythmus der Melodien hat tragen lassen, wird das zumindest nachvollziehen können.
Gefühlsduselei sei das, tönt es auch prompt aus der Kritikerecke. Die Leute suchten ja nur ein gutes Gefühl. Mit dem Inhalt der lateinischen Texte könnten die Meisten ja doch nichts anfangen. Wäre das so schlimm? Wie viele Leute besuchen Opern oder Sinfoniekonzerte, ohne sich zuvor intensiv mit Stück oder Komponist beschäftigt zu haben und gehen trotzdem innerlich tief erfüllt nach Hause? Warum also sollte mich beim Hören eines gregorianischen Chorals nicht auch Gott berühren, obwohl ich die Worte nicht verstehe – als Melodie in meiner Seele?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=4287
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