SWR2 Wort zum Tag

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Glaube versetzt Berge, sagt ein Sprichwort. Es stammt aus folgender Geschichte: Jesus hatte sich auf einen Berg zurückgezogen. Als er zurückkommt, warten viele Menschen auf ihn, darunter auch ein Mann, der sofort vor ihm auf die Knie fällt. Sein Sohn muss viel leiden, er hat Epilepsie, fällt immer wieder und verletzt sich. Bei den Jüngern Jesu hat der Vater es auch schon probiert. Die konnten ihm aber nicht helfen, also versucht er’s jetzt noch mal beim Meister selbst. Jesus reagiert etwas genervt: „O du ungläubige und unbelehrbare Generation! Wie lange muss ich noch bei euch sein?“ Er lässt den Jungen herholen und heilt ihn. Als die Jünger ihn fragen, warum das bei ihnen nicht geklappt hat, erklärt Jesus ihnen: “Weil euer Glaube so klein ist. Wenn euer Glaube auch nur so groß ist wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier nach dort! Und er wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich sein.“
Das ist ja eine ziemliche Gemeinheit. Die Jünger versuchen den vielen Menschen gerecht zu werden, während Jesus sich auf einen Berg zurückzieht. Und sie merken doch selber, dass es bei ihnen nicht so klappt. Muss Jesus dann so unwirsch reagieren? Hätte er ihnen nicht freundlich zeigen können, wie es besser geht? Stattdessen Sprüche, die heute wie billige Werbesprüche daherkommen: Nichts ist unmöglich. Glaube versetzt Berge. Das stimmt doch nicht, oder? Ich bleibe da etwas skeptisch, meine Sympathien liegen ganz klar auf Seiten der unfähigen Jünger.
Ich traue mir keine Krankenheilungen zu, jedenfalls nicht so, dass Menschen plötzlich ihre Krücken wegwerfen und laufen können. Aber was Jesus über den Glauben der Jünger sagt, über meinen Glauben, lässt mich nicht in Ruhe. Ich entdecke in Jesu Ärger auch eine Anregung. Schließlich ist mein Glaube oft sehr klein, ich traue mir und anderen weniger zu als möglich ist.
Ich muss den Glauben ja nicht gleich für Straßenbauarbeiten verwenden und Berge versetzen. Aber dass ich heilsam sein kann für andere Menschen, das ist schon drin. Sie müssen nicht aus einem Rollstuhl aufstehen, aber es geht ihnen vielleicht besser, weil ich sie besuche. Es müssen auch keine Dämonen ausfahren, aber vielleicht kann ich jemandem helfen, den Dämon Angst auf das normale Maß zurechtzustutzen. Wir können mehr bewirken, als wir denken, da bin ich mir sicher. Und andere Menschen können auch über sich hinauswachsen, wenn wir es ihnen zutrauen. Vielleicht muss ich mit meinem Glauben keine Berge versetzen können, sondern anderen Menschen zum Leben verhelfen. Das jedenfalls trau ich mir zu. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4256
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