SWR3 Gedanken

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Berlin Alexanderplatz. Sou läuft gerade an der Weltzeituhr vorbei, da tritt ein junger Mann auf sie zu. Er hält ein Schild in der Hand mit der Aufschrift „Free Hugs“, also „kostenlose Umarmungen“. „Warum eigentlich nicht“, denkt Sou. Und nach kurzem Zögern liegt sie einem wildfremden Menschen in den Armen. Der stammt aus Australien - genau wie die gesamte Free-Hugs-Bewegung. Ausgelöst wurde die Umarmungswelle im September von einem Video auf der Webseite Youtube. Darin marschiert ein Mann mit einem „Free Hugs“-Pappschild durch eine Einkaufsstraße und bietet unverbindlich den Passanten seine Umarmung an. Einige scheuen zurück, doch viele nehmen dankbar an. Das Video ist um die ganze Welt gegangen und findet Nachahmer in vielen Städten. Der Erfinder der Free Hugs ist Juan Mann. Ich frage mich: wie kommt man bloß auf so eine abgefahrene Idee? Juan sagt: „Ich habe mich einsam gefühlt auf dem Flughafen in Sidney. All die anderen Menschen wurden von Freunden oder Verwandten abgeholt und umarmt, nur auf mich hat kein Mensch gewartet. Kurzerhand habe ich mir ein Free-Hugs-Schild gemalt. Eine Viertelstunde wurde ich zwar nur von Menschen angestarrt, dann kam eine ältere Dame auf mich zu und wir umarmten uns. Sie war die erste. Und auch sie konnte die Umarmung gut gebrauchen, denn es war der Jahrestag des Unfalltodes ihrer Tochter.“
Seitdem will Juan Mann mit dem Free-Hugging dazu beitragen, „zwischenmenschliche Kontakte zu fördern und mehr Liebe in die Welt zu bringen“, wie er sagt. Ein hoher Anspruch finde ich. Was bringt ein „zwischenmenschlicher Kontakt“, der gerade mal 3 Sekunden dauert? Und kann ich tatsächlich „Liebe in die Welt bringen“ mit einer Umarmung hinter der nichts steckt? Aber anscheinend erzeugt selbst eine beziehungslose Umarmung Glücksgefühle bei den Passanten. Das kann auch Sou vom Berliner Alex bestätigen: „Am Anfang war mir die kostenlose Umarmung doch suspekt. Aber die Free-Hugger haben ihre Umarmung einfach nett und unaufdringlich angeboten. Und das beste dabei: Alle frisch umarmten Leute sind mit einem Lächeln im Gesicht weitergegangen.“ Kleiner Aufwand, große Wirkung. Wie so oft im Leben. Ich muss mich nur trauen!

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