Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Bernd heißt der Fahrer des Paketdienstes. Ein, zwei Mal im Monat kommt er zu mir, immer wenn ich was bestellt habe.
Bernd gehört zu denen, die man als „Niedriglöhner“ bezeichnet: 5 EURO 80 kriegt er die Stunde bei einer 40-Stundenwoche, hat er mir erzählt. Und wenn man das alles zusammen¬zählt, kommt er auf ein Monatsbrutto von bestenfalls 1.000 Euro. Das reicht hinten und vorne nicht.
Aber das ist noch nicht alles: Den Paketdienst macht Bernd mit seinem eigenen Auto. Das war die Bedingung des Zustellerdienstes. Das Auto könne er ja steuerlich absetzen, damit wurde er gelockt. Doch jetzt war kürzlich die Kupplung kaputt, und fast der ganze Monatslohn ging drauf. Es ist zum Verzweifeln, sagt Bernd.
So wie Bernd geht es vielen. Niedriglöhner, das sind: Frisöre, Wachleute, Pizzafahrer, Zeitarbeiter, Lagerarbeiter und viele, viele mehr. Die statistischen Zahlen wurden gerade veröffentlicht. Menschen, die oft unendlich hart arbeiten und dennoch auf keinen grünen Zweig kommen.
Mit Bernd rede ich immer, wenn er zu mir kommt. Wenigstens kurz, na ja, er hat wenig Zeit. Aber ein Kaffee und eine Zigarette, so viel Zeit nimmt er sich manchmal.
Letztens hat er mir gesagt: Was ich brauche, das ist kein Mitleid. Das hilft mir nicht. Was ich brauche, ist Solidarität.
Ein großes Wort. Mir ist aber klar geworden, was Bernd damit meint. Solidarität: Er wünscht sich, dass ich ihn ernst nehme. Er wünscht sich, dass ich mit offenen Augen sehe, wie es ihm geht. Er wünscht sich, dass ich mit ihm rede: über sein Leben, seine Frau, seine Kinder, und dass ich ihm Mut mache, wenn ihn mal wieder ein Problem niederdrückt. Und er wünscht sich, dass es mehr Leute gibt, die so mit ihm umgehen. Solidarisch, das heißt: teilnahmsvoll und auf Augenhöhe.
Denn keiner von uns lebt für sich. Wir sind aufeinander angewiesen. Auf die gegenseitige Freundlichkeit, auf Mitgefühl und Wertschätzung. und auf die Liebe. Das tut unendlich gut, wenn man spürt: Auch wenn du arm bist: Du bist nicht alleine.
Solidarität, das heißt aber doch auch noch mehr, das hoffe ich jedenfalls: dass es eine Umverteilung geben muss: Wer viel hat, muss anderen abgeben. Damit Leute wie Bernd von ihrer Hände Arbeit auch leben können.
Das ist ein urchristlicher Gedanke: Der Andere ist nicht Konkurrent oder Rivale, der Andere ist dein Nächster. Und vor Gott ist er dein Bruder oder deine Schwester.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4246
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