SWR2 Wort zum Tag

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Betet ohne Unterlass, heißt es bei Paulus. Das kann doch nicht wörtlich gemeint sein! In einen normalen Tageslauf mit seinen Aufgaben ist das ja überhaupt nicht unterzubringen! Aber was meint Paulus dann? Seine Aufforderung steht im ältesten seiner Briefe und ist an die noch ungefestigte Gemeinde in Thessalonich gerichtet. Die hatte noch viele ungelöste Glaubensfragen. Meint Paulus häufiges Beten, durch das die Gemeinde dann gefestigt werden soll?

Die Aufforderung des Paulus findet sich ähnlich aber auch in anderen Briefen und beschreibt offenbar ein Merkmal der Christen. Das beständige Gebet, wie es Paulus versteht, gehört für ihn grundsätzlich zum Christsein. Er meint mit ihm eine wesentliche Ausdrucksform des Glaubens, den Glauben selbst. Luther fragt darum: Was ist Glaube anders als eitel Gebet? Denn der Glaube sei ohne Unterlass auf Gottes Gnade, auf seine Liebe angewiesen und verlange nach ihr. Genau dieses Verlangen bestimme auch das Gebet. Beten und Glauben werden darin eins, das Beten und der Glaube, der Gottes Liebe ständig braucht, das ganze Leben auf sie ausrichtet und im Vertrauen auf sie lebt.

Betet ohne Unterlass – das hat aber nun auch ganz praktische Seiten: Für einen guten Freund, seinen Barbier, damals ein Friseur und eine Art Hilfsarzt, hat Luther eine kleine Schrift über das Beten geschrieben. In ihr heißt es: Darum ist’s gut, dass man das Gebet morgens früh
das erste und abends das letzte Werk sein lasse. Dafür solle man sich die Zeit nehmen und sich ja nicht durch Geschäfte und Erledigungen abhalten lassen. Luther selbst hat übrigens, wenn er besonders viel zu tun hatte, erst recht viel gebetet! Anhaltend Beten heißt also auch: regelmäßig beten, sich Zeit dafür nehmen.

Man muss nicht viele Worte machen beim Beten! Aber Gott in den Ohren liegen darf man! Jesus hat das in der Geschichte von einer Witwe und einem korrupten Richter deutlich gemacht: Der hatte ihr Verfahren einfach liegen gelassen. Die Witwe hat sich das nicht
gefallen lassen und hat ihn fast handgreiflich bedrängt, sodass er schließlich ihre Sache aufgenommen hat. Diese anstößige Geschichte hat Jesus auf das Beten angewandt: Man darf Gott bedrängen! Das heißt dann auch: Es gibt nichts, was man ihm nicht sagen dürfte.
Auch noch verzweifelte Seufzer hört er. Das muss zuerst gesagt werden, bevor man dann hinzufügt: Bitten soll man auch: Dein Wille geschehe – im Wissen, dass Gott nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Versprechen erfüllt. Vor allem das Versprechen, dass er mit uns
ist, uns hört und uns gibt, was wir brauchen.
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