SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Das habe ich vergessen! Es kann ein wichtiger Termin sein, den man vergessen hat. Und
man ärgert sich. Der Satz soll manchmal auch eine Entschuldigung sein. Kinder und Jugendliche entziehen sich so gerne ungeliebten Erwartungen an sie. Aber auch Erwachsene ertappen sich manchmal selbst dabei, dass sie mit ihrem Vergessen verdrängt haben, was ihnen lästig war. Es gibt ganz unterschiedliche Arten zu vergessen – und unterschiedliche Gründe. Aber müssen wir nicht auch Manches vergessen?

Man muss auch vergessen! Was täglich an Informationen auf einen einströmt, kann nur verkraftet werden, wenn Vieles wieder aus dem Gedächtnis verschwindet. Denn die Fähigkeit, Eindrücke aufzunehmen und zu verarbeiten, ist begrenzt. Und die Gefahr besteht, dass man
im Übermaß schnell aufeinander folgender Eindrücke das im Leben wirklich Wichtige nicht mehr wahrnimmt und verliert. Man muss das Vergessen geradezu einüben, um im Gedächtnis Raum zu schaffen für neue Eindrücke – und für Erfahrungen, die helfen und dem Leben Profil geben.

Was ist aber wichtig und hilft uns? Und wie und warum bleibt es haften? Ganz offensichtlich
ist, dass wir schneller vergessen, was uns nicht berührt hat und uns letztlich gleichgültig war. Im Gedächtnis bleiben Erfahrungen, die besonders erfreut oder geschmerzt, Erlebnisse, die erregt und bewegt haben, Begegnungen, bei denen man in einer kritischen Lebenssituation Hilfe erfahren hat oder sehr verletzt worden ist. Nicht alles, was aus solchen Gründen im Gedächtnis haften bleibt, hilft und ist wirklich wichtig. Besonders belastend ist, wenn man erfahrenes Unrecht weder vergessen noch vergeben kann. Was man in einer schweren Krankheit erfahren und gelernt hat, kann dagegen in gesunden Tagen dankbar machen.
Was einem ein Mensch in schweren Zeiten Gutes getan hat, kann unvergessen bleiben und Verbundenheit über lange Zeit schaffen.

Für Christen ist wichtig, dass sie sich in guten und in schweren Zeiten an Erfahrungen mit
Gott erinnern. In guten Zeiten macht es dankbar, in schweren gibt es Halt. Aber manchmal werden die eigenen Erfahrungen mit Gott von Sorgen und Leiden erstickt. Darum ist es
wichtig, sich der überlieferten Erfahrungen, wie sie die Bibel erzählt, zu erinnern. In großer
Not und auch noch im Gefühl, selbst von Gott verlassen zu sein, haben sich die Beter der Psalmen an Gottes Erbarmen, wie es die Generationen vor ihnen erfahren haben, festgeklammert. Christen halten sich an Gottes Liebe, wie sie in Jesu Geschichte offenkundig wurde, fest. Von ihr immer neu zu hören, an sie erinnert zu werden und sie nicht zu vergessen, gibt Halt auch noch in den Abgründen des Lebens.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4205
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