SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Pelikan- oder Geha-Füller. Puma- oder Adidas-Schuhe. Das war mein erster Kontakt zur Welt der Marken und Logos. Heute hat sich das Markenbewusstsein bei jungen Leuten noch weiter entwickelt. Es gibt Menschen, die sind geradezu markensüchtig.
Einer von ihnen: Neil Boorman, ein englischer Lifestyle-Journalist. Shoppen-Gehen und Markenwaren ziehen ihn magnetisch an. Teilweise stapeln sich die Einkaufstüten unausgepackt bei ihm zu Hause. Ebenso häufen sich seine Shopping-Schulden.
Als Neil merkt, dass er sich und seine Mitmenschen nur noch nach ihren Marken beurteilt, beschließt er: so kann es nicht weiter gehen. Er beginnt eine Psychotherapie. Und er entschließt sich zu einem radikalen Schritt: Er will ein Jahr komplett ohne Marken leben. Auf einer Art Scheiterhaufen verbrennt Neil Boorman in der Londoner Innenstadt seinen kompletten Warenschatz im Wert von über 26.000 Euro: Turnschuhe, Handy, Fernseher, Kleidung. Alles was Marke trägt muss raus.
Ich finde, Boorman hat ganz schön mutig gehandelt. Aber schnell merkt er auch, dass das neue markenlose Leben gar nicht so einfach ist: Seine Freunde und Kollegen nehmen ihn nicht ernst. Lebensmittel muss Neil jetzt direkt vom Erzeuger kaufen, für Kleidung geht er in Second-Hand Läden oder Armee-Shops. Zahnpasta stellt er selbst her und auf Kosmetika und Fernseher verzichtet er ganz.
Als das Experiment nach einem Jahr endet, fragen viele, ob Neil jetzt wieder normal leben wird. Er sagt: „Ich will nicht in mein altes Leben zurückkehren. Denn ich bin jetzt nicht mehr so oberflächlich wie früher, nicht mehr so ängstlich. Und ich verliere nicht den Respekt vor jemandem, nur weil er die falschen Schuhe trägt.“
Vielleicht hat Neil Boorman den Konsumboykott etwas arg konsequent durchgezogen. Aber eines scheint er erreicht zu haben: Der Blick ist wieder frei fürs Wesentliche. Denn das liegt hinterm Logo.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4198
weiterlesen...