SWR3 Gedanken

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An Pfingsten war ich mit ca. 30 Bikern auf einer Motorradwallfahrt nach Assisi unterwegs. Es ist schon beeindruckend, wenn der laute Tross in ein kleines italienisches Städtchen einfährt. Kinder verkriechen sich ängstlich hinter die Beine ihrer Eltern. Und die Erwachsenen reagieren von verärgert bis bewundernd. Was die meisten nicht fassen können: die vermeintlichen Motorrad-Rocker ziehen ihre Helme ab und gehen in eine Kirche. Etwas breitbeinig vom langen Fahren zwar, aber ehrfürchtig. Sie beten in Stille oder stimmen einen Kanon an. Das passt so gar nicht ins Bild der Biker.
Eine dieser Kirchen ist „Santa Maria degli Angeli“ unterhalb von Assisi. Eine der größten Kirchen der Welt. Sie beeindruckt zwar durch ihre Dimensionen, ist aber sonst nicht gerade eine Schönheit. Eines macht sie jedoch einzigartig: Im Innenraum, genau unter der Kuppel, steht ein kleines Kapellchen. Es heißt „Portiuncula“ und der Hl. Franz von Assisi hat es einst mit seinen eigenen Händen renoviert.
Damals stand die Kapelle noch baufällig und einsam im Eichenwald vor Assisi. Franz liebte den Ort so sehr, dass er sich wünschte, dort im Kreis seiner Freunde zu sterben. Deshalb wohl wurde die „Portiuncula“ zu einem Pilgerort. Papst Pius V. ließ dann zum Schutz die Kathedrale darüber bauen.
In Lederklamotten mit Helm unterm Arm durchquere ich also die Riesenkirche. Schon etwas enttäuschend, die klotzige Atmosphäre. Als ich aber die kleine „Portiuncula“ betrete, da bin ich plötzlich ergriffen von der Einfachheit und Ausstrahlung dieses Jahrhunderte alten Bauwerks. Und auch an den Menschen um mich herum merke ich, dass hier noch etwas vom Geist des Heiligen Franz spürbar ist.
Vielleicht ist es so auch mit uns Motorrad-Wallfahrern: von außen laut und stinkend, schnell und risikobereit. Aber unter Helm und Leder, da stecken einzigartige Menschen. Menschen auf der Suche nach Gott und ein paar schönen Kurven.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4193
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