SWR2 Wort zum Tag

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Ich gehöre zu den Menschen, die Städtereisen lieben. Ich mag es, auf Zeit in einer anderen Stadt zu wohnen. Die Läden und Märkte, die Kirchen und Museen, die Imbissstuben und Restaurants, die Straßenzüge und Stadtviertel einer Stadt – all das zu entdecken ist anregend und voller Lebendigkeit. Gut, dass jede europäische Stadt auch Gärten und Parks hat, die
zum Spazieren und zum Ruhen einladen. In ihnen atmet man anders.

Vielleicht spricht mich deshalb die Beschreibung der Stadt Gottes im letzten Buch der
Bibel so besonders an. Da wird das himmlische Jerusalem als eine Gartenstadt beschrieben (Off. 21-22). Die Utopie des Paradiesesgartens, wie er am Anfang der Bibel vorgestellt wird, wird am Ende der biblischen Überlieferung wieder aufgenommen und zitiert: Jetzt ist der Garten in die Stadt hinein gewandert. Die Schöpfung Gottes verbindet sich mit der Schaffenskraft seiner Geschöpfe.

Die Stadt Gottes wird so geschildert: Die Ströme des Paradieses durchfließen die Stadt. Sie wird beschrieben als ein Quadrat von riesigen Ausmaßen, ästhetisch vollkommen proportioniert mit zwölf Toren, die jeweils mit zwölf kostbaren Edelsteinen verziert sind. Kunstvoll ist jedes Tor anders gestaltet und doch den anderen zugeordnet. Die Tore weisen in alle Himmelsrichtungen. Sie werden nie geschlossen, auch nachts nicht. Alle können kommen und gehen. Die Unterscheidung von Fremden und Einheimischen ist aufgehoben. Alles ist
voller Licht, keine Nacht verdunkelt mehr das Leben. Überflüssig geworden das künstliche
Licht der Städte. Die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie. Denn Gott selbst wohnt bei und in den Menschen. Sie, die Menschen, sind die lebendigen Wohnungen Gottes! Es gibt keinen Tempel mehr. Rathäuser, Schulen oder Gerichte werden nicht mehr benötigt. Der Geist Gottes hat
sich in die Herzen der Menschen eingeschrieben. Die Ströme des Paradieses münden auf den Markplatz inmitten der Stadt. An ihrem Wasserlauf entlang wachsen die Bäume des Lebens,
die jeden Monat Frucht bringen.

In der Beschreibung der Stadt Gottes fällt auf: In dieser Vorstellung des himmlischen Jerusalem ist nicht die Rückkehr in den Paradieseszustand angesagt, als sei nichts geschehen. Sondern: Die schöpferische Kulturgeschichte der Menschheit darf und soll ihre Spuren hinterlassen im Entwurf einer vollkommenen Stadt, die sich mit dem Garten Gottes verbindet.

Schön, wenn von dieser Beziehung schon jetzt etwas sichtbar wird in unseren Städten. Die Gärten und Parks mitten in unseren Stadtlandschaften sind kein schlechter Anfang dafür.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4159
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