SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Stadtluft macht frei!“ - In diesem geflügelten Wort bündelt sich die Attraktivität der Stadt.
Einst war die Freiheit, die die Stadt gewährte, ganz konkret: Leibeigene konnten unter bestimmten Bedingungen in der Stadt ihr Bürgerrecht als Freie zurück erlangen. Als ein freier Mensch leben können – das ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen, glaube ich. Als Pfarrerin
in einer Gemeinde im städtischen Umfeld beschäftigt mich dabei die Frage: Kann die
christliche Gemeinde im Zusammenleben in der Stadt dazu etwas beitragen?

Denn: Stadtluft macht nicht nur frei, sie kann auch Angst machen. Ich beobachte, höre und sehe in meinem Stadtviertel: Menschen erleben in der Stadt in verdichteter Weise, was
unsere Gesellschaft beschäftigt. Die unterschiedlichen Lebensentwürfe können nicht nur in Konkurrenz, sondern auch in Konflikt miteinander kommen. Die Vielfalt und Vielzahl an Möglichkeiten des Einkaufens, Essens und Trinkens führt auch zum Überdruss, zur Verschwendung und zum Missbrauch. Menschen können verloren gehen in den Städten, weil sie in der Masse untergehen, weil sie einsam sind. Und weil die Möglichkeit, viele Kontakte knüpfen zu können auch bedeuten kann, dass keine dieser Beziehungen wirklich tragfähig ist.

Auf der anderen Seite ist es ein großer Gewinn und eine große Freiheit, dass man in der Stadt mit ganz unterschiedlichen Lebensvorstellungen leben darf, und dabei nicht ausgeschlossen wird, sondern trotzdem seine Gemeinschaften findet. Dass man Fremden und Fremdem begegnet, die einem neue Horizonte eröffnen. Dass man Sich-Ausprobieren kann und dazu eine Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten hat, die in der Stadt nahe beieinander liegen.

Wir als Kirchengemeinde in der Stadt sehen uns davon herausgefordert: Mitten in diesen spannungsvollen Lebenserfahrungen sollen Menschen etwas von der Freiheit der Kinder
Gottes spüren können. Diese Freiheit heißt nicht Bindungslosigkeit, sondern das Gegenteil:
Die Freiheit von dem, was Menschen beherrschen will, macht frei dazu, Verantwortung zu übernehmen. Deshalb sind wir dabei, wenn es Debatten über unsere Stadtentwicklung gibt.
Wir stellen – zum Beispiel - unsere Ressourcen zur Verfügung, damit Menschen Gelegenheit haben, sich in Chören oder Musikgruppen zu treffen, damit sie ihre Kreativität entfalten
können und das Spielerische Platz hat in ihrem Leben. Wir machen es zu unserer Sache,
dass das Familienzentrum in der Nachbarschaft ein Klavier geschenkt bekommt, und dass in den Waldheimferien genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da sind.

Denn Christen handeln aus der Überzeugung heraus: Gottes Zuspruch, in Christus frei zu
sein, macht auch zum Handeln frei. Damit lässt sich nicht nur in der Stadtluft befreiter leben!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4157
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