Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Es war an einem so sonnigen Sonntagmorgen. Zauberhaft leicht und noch unverbraucht.
So wie eben nur ein Sonntagmorgen sein kann. Ich hatte für einen Kollegen, der in Urlaub war, den Sonntagsgottesdienst übernommen. Weil ich die Kirche nicht so gut kannte, fuhr ich zeitig los.
Mehr als eine halbe Stunde vor Gottesdienstbeginn, stand ich vor der Kirche. Ein großer Reisebus direkt gegenüber der Kirchentür sprang mit sofort ins Auge. Sollten die womöglich alle in die Kirche zum Gottesdienst angereist sein? Mein Puls wurde schneller,
aufgeregt bin ich vorm Gottesdienst sowieso, aber das war wohl doch was Besonderes.
Ich hatte wohl schon davon gehört, dass diese schmucke kleine Kirche mit ihren besonders ansprechend gestalteten Fenstern Touristen in Scharen anzieht,
aber schon am frühen Sonntag Morgen, kurz vor neun Uhr rechtzeitig zum Gottesdienst?
Mit dem Talar überm Arm ging ich auf das Kirchlein zu, angespannt und voller Erwartungen, ich öffnete die alte Tür und trat ein. Da saß eine ganze Reisegruppe, schätzungsweise 40-50 Männer und Frauen, jedweden Alters im Kirchenschiff die betrachteten aufmerksam die bunten Fenster unter fachkundiger Anleitung der Reiseleiterin.
Als diese mich erblickte, unterbrach sie abrupt ihren Vortrag, musterte mich von oben bis unten, erkannte dann wohl den Ernst der Lage und rief schließlich laut:
„Um Gottes willen, der Pfarrer! Wir müssen Schluss machen, gleich ist hier Gottesdienst!“
Als ob es sich um einen Feueralarm handeln würde, drängten alle zum Ausgang.
Ich ging auf die Leiterin zu, entschuldige mich sogar für die Störung und meinte, sie alle könnten doch bleiben, ich wäre auch gerne bereit, was zu den Kirchenfenstern zu sagen,
wenn sie das wollte, schließlich seien das ja alles bekannte biblische Geschichten.
Alles halb so schlimm meinte sie, wir müssen sowieso weiter, um 10 Uhr seien sie bei der nächsten Sehenswürdigkeit angemeldet. Als dann die Glocken anfingen zu läuten, waren bereits alle im Bus und fuhren ab. Seitdem frage ich mich:
Sind wir ein Museum? Unsere Kirchen nur noch antiquarisch wertvoll? Neben anderen toten Hallen, Burgen, Schlössern und Ruinen? Das kann doch nicht wahr sein!
Wir sind doch keine archeologisch interessante Ausgrabungsstätte. Kein Dauergrab
Keine Gruft ohne Osterluft!
Was haben wir nur falsch gemacht, dass man uns aufsucht,
wie mumifizierte Überbleibsel einer ehemals christlich geprägten Gesellschaft?
Dabei können unsere Gottesdienste so schön sein.
Dabei haben wir die beste Botschaft der Welt, nämlich die von der Liebe Gottes weiterzusagen, haben Jesus Christus als Schirmherrn der Veranstaltung und haben was zu sagen, wenn es um alles geht, um Leben und Tod, um Glaube und Liebe. Wir haben wunderbare Kirchenräume und Lieder und Texte, uns verbindet rund um die Welt und seit Generationen das VATER UNSER!
Also: Ich lade Sie freundlich ein, machen Sie heute mal wieder ein Probesitzen in Ihrer Kirche.
Eine Visite im Vorraum vor der Himmelstür. Und sie werden es spüren, dort bekommt ihre Zuflucht ein Zuhause. Die Kirche ist kein Museum, sie ist ein Kraftraum, ein Rastplatz, eine Haltestelle. Von mir aus können Sie auch mit dem Bus kommen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4137
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