SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Auf dem Weg zum Himmel waren viele Tiere unterwegs.
Ein Weiser mit dem gleichen Ziel schloss sich ihnen an und fragte sie nach ihrem Leben.

Der Fuchs zählte seine Abenteuer auf. Das Eichhörnchen berichtete von seinem beweglichen Dasein. Eine Schleie schwamm ihr Leben in großen Zügen vor. Der Hahn tat sich wichtig mit seinen Pflichten. Ein Regenwurm munkelte dunkle Dinge. Und der Floh wusste viel Menschliches.
Als es aber an der Eidechse war zu reden, schwieg sie. Der Weise wartete, die Eidechse schwieg. Schließlich, als sie schon nahe dem Himmel waren, züngelt sie ein bisschen, blinzelte und sagte: „Ich habe mich gesonnt“.

Allein die Eidechse definiert sich in dieser Geschichte nicht über das, was sie getan, geleistet oder erlebt hat. Sondern über das, was sie empfangen hat – ohne einen Finger dafür zu
rühren. Sie stellt in Frage, dass das, was die anderen tun, von unendlicher Wichtigkeit ist.
Was ihr Leben hell macht und warm, kommt nicht aus ihr selbst, sondern vom Licht der Sonne.
Es gibt Wissenschaftler, die das Urlaubsverhalten von Menschen unter-sucht haben, und zu
der Überzeugung gekommen sind: So wie jemand ar-beitet, so erholt er sich auch. Wer sich
im Alltag Stress macht, macht sich auch im Urlaub Stress. Wer einen vollen Terminkalender braucht, macht sich auch im Urlaub von morgens bis abends Programm. Urlaub als
Fortsetzung des Alltags mit anderen Mitteln.
Dabei hätte der Urlaub auch ganz andere Chancen. Er könnte uns die Weisheit der Eidechse lehren. Das wäre: Sich dem öffnen, was im Leben gratis ist. Die Sinne so schulen, dass sie auch dann noch manches wahr-nehmen, wenn äußerlich scheinbar nichts passiert.
Die Bewegungen eines im Winde zitternden Birkenblattes. Die Muster auf dem fast windstillen See. Die kraftvolle Ruhe eines hoch gewachsenen Baumes.
Ich habe mich gesonnt, kann heißen: Ich habe die völlige Ereignislosigkeit eines Nachmittags genossen. Dem Flug der Vögel nachgeschaut. Die Kostbarkeit der verfließenden Zeit gespürt.

Holidays, das waren ursprünglich einmal holy days: heilige Tage, in denen ich erleben kann, dass es noch etwas Anderes gibt im Leben. Heilige Gelegenheiten, etwas über mich zu erfahren. Dazu muss ich nur einfach weg-lassen, was im Alltag meinen Kopf und meine
Hände in Beschlag nimmt. Und mich dem öffnen, worin ich den Pulsschlag des Lebens spüre.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4117
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