SWR2 Wort zum Tag

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Von der Freiheit eines Christenmenschen – so lautet der Titel einer kleinen Schrift Martin Luthers vom November 1520. Darin fasst Luther zusammen, wie er den Glauben und das Leben der Christen versteht. Er hat die Schrift Papst Leo X gewidmet und einem Brief beigefügt, in dem er um Verständnis für seine Anliegen wirbt. Ob der Papst die Schrift erhalten hat, ist nicht bekannt. Sie ist aber eine der Hauptschriften Luthers mit großer Wirkung bis heute geworden.

An den Anfang seiner Schrift stellt Luther zwei sich scheinbar widersprechende Thesen:
Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Wie kann man frei sein und zugleich dienen müssen? Und wieso macht gerade dies Glauben und Leben der Christen aus? Luther sieht den Menschen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Er spricht vom inneren und vom äußeren Menschen. Das heißt: Er sieht den Menschen in seiner Beziehung zu Gott und in den Beziehungen, die sein Leben in der Welt ausmachen. Für die Beziehung zu Gott können wir nichts tun. Gott muss die Verbindung zu uns aufnehmen. Er hat es durch Jesus Christus getan. Durch ihn entsteht eine Verbindung – vergleichbar der zwischen Feuer und Eisen, das im Feuer glutrot wird und sich mit ihm vereinigt. Oder mit dem anderen Bild: eine Beziehung entsteht wie die zwischen Braut und Bräutigam. Christi Wort ist das Feuer, durch das Eisen glühend wird. Das Vertrauen auf Christi Wort ist der Brautring, mit dem die Verbindung mit Christus besiegelt wird. In ihr gehört Christus alles, was bei uns verkehrt ist; in ihr gehört uns alles, was Christus ausmacht und uns Gott recht sein lässt. Von einem fröhlichen Wechsel spricht darum Luther. Der macht uns frei. Denn durch ihn haben wir unsere Würde durch Christus, ganz unabhängig von dem, was wir tun oder lassen. Wir müssen uns um uns selbst nicht mehr sorgen. Wir sind voraussetzungslos geliebt und können darauf vertrauen.

Ist es also gleichgültig, was wir tun? Können wir in unserem Verhalten fünf gerade sein lassen, da es zu unserer Freiheit doch nichts beiträgt? Das wäre ein Irrtum! Wir leben ja in der Welt und in Beziehungen zu anderen Menschen. Wenn wir geliebt sind und Liebe uns frei gemacht hat, dann soll uns Liebe auch bestimmen. Wenn wir frei wurden von der Sorge um uns selbst, dann wurden wir frei für andere, die uns brauchen, frei auch, im Gemeinwesen, in dem wir leben, mitzuhelfen, dass Menschen dort in Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit leben können. Frei sind wir also durch den Glauben. Zum Dienen bringt uns die Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=4083
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