SWR2 Wort zum Tag

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Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – das war eine der Losungen, auf die man sich in der Französischen Revolution berufen hat. Heute, am 14. Juli, dem quatorze juillet, feiern unsere französischen Nachbarn ihren Nationalfeiertag. Es ist der Tag des Sturms auf die Bastille im Jahr 1789, damals ein Gefängnis. Er gilt als Auftakt und Geburtsstunde der Französischen Revolution. Diese wurde auch in unserem Land als weltgeschichtliches Ereignis wahrgenommen. Für Kant und Hegel begann mit ihr eine neue Epoche der Weltgeschichte. Deutsche Intellektuelle, Dichter, Philosophen auch Theologen, haben die Ereignisse in Paris begeistert begrüßt. Denn im Zuge der Aufklärung waren die Sehnsucht nach Freiheit, politischen Mitspracherechten und der Achtung vor der Würde jedes Menschen auch in unserem Land immer größer geworden. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sollten nach der Überzeugung Vieler das Zusammen- leben der Menschen bestimmen!

Die Stimmung hat sich damals aber verändert, als in Frankreich Gewalt eskalierte, Lynchjustiz wütete und sich Terror gegen alle richtete, die als Volksfeinde angesehen wurden. Auch begeisterte Befürworter sprachen jetzt von der Tyrannei der Vernunft, die Unheil stifte. Jetzt wurde oft die Überzeugung geäußert, dass das Wesen des Menschen mit seinen Abgründen durch die Vernunft nicht verändert werden könne. In diesem Sinn hat z.B. Matthias Claudius gemeint, dass man den Menschen zwar klug, aber nicht gut machen könne.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – man spürt diesen Worten noch ihre religiöse Herkunft ab, ihre Verwurzelung im christlichen Glauben. Denn in ihm erfahren Menschen Befreiung. Sie werden frei von ihrer Schuld, vom Zwang, sich selbst rechtfertigen zu müssen, und können im Vertrauen auf Gott leben. Sie erkennen, dass sie vor Gott gleich sind, darum die gleiche Würde haben. Und sie lernen, sich als Schwestern und Brüder zu sehen. Es ist auch Schuld der Kirchen in ihrer Bindung an die Herrschenden, dass die sich vom Glauben lösende Vernunft Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit als Werte für das Zusammenleben neu entdecken musste. Es ist zugleich Aufgabe der Christen bis heute, deutlich zu machen, dass die Befreiung des Menschen im Glauben zum Respekt vor der Würde Anderer und zu einem geschwisterlichen Verhalten hilft - und dass dadurch die Vernunft Maßstäbe gewinnt, die ihre Tyrannei verhindern. Zum Beispiel in unserem Gesundheitswesen, wenn der von der Vernunft geforderte Sparzwang die Freiheit von Ärzten und Patienten zu sehr einschränkt, ungleiche Behandlung der Patienten verursacht und in der Pflege Zuwendung erschwert. Vernunft braucht Maßstäbe!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4082
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