Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wir alle sind Afrikaner. Die meisten Anthropologen und Forscher der Vorgeschichte sind sich einig: Die Wiege der Menschheit stand in Ostafrika, vielleicht im heutigen Kenia. Einige Wis-senschaftler meinen sogar, alle heute lebenden Menschen stammen von dem selben Elternpaar ab. Im übertragenen Sinn stand also unser gemeinsames Elternhaus in Afrika.
Ganz nette Anekdote, werden Sie vielleicht sagen, aber was hat das mit uns zu tun?
Stellen Sie sich einmal vor, die Tempel Athens oder das Kolosseum in Rom würden Opfer eines Erdbebens. Oder die Pinakothek in München, das Gutenbergmuseum in Mainz oder andere be-deutende Museen brennen aus. Alle historischen Schätze gehen verloren, die Spuren unserer kulturellen Herkunft verschwinden. Oder noch schlimmer: Alles bleibt zwar erhalten, aber nie-manden interessiert es mehr. Keiner will mehr wissen, worin unsere Kultur wurzelt und wie sich aus dem klassischen Altertum das moderne Europa entwickelte. Da würden wir uns doch gewaltig anstrengen, um unser kulturelles Erbe zu sichern und es den heutigen Menschen na-hezubringen. Ich bin sicher: Niemand würde achselzuckend die Zerstörung der Denkmäler oder die Gleichgültigkeit der Zeitgenossen hinnehmen.
Genau das geschieht aber zur Zeit mit Afrika. Der Kontinent, auf den zum ersten Mal ein Mensch im heutigen Sinn seinen Fuß setzte, wird zerrissen von Krieg und Korruption. Wo die ganze Menschheit ihren Ausgang nahm, drohen Armut und Aids. Und es scheint nur wenige zu interessieren. Dabei geht es hier nicht bloß um Denkmäler, sondern es geht um Millionen Men-schen . Und besonders geht es um Kinder. Ihre Eltern sind im Bürgerkrieg gestorben, sie wer-den zum Kriegsdienst gepresst, haben ihre Verwandten durch Seuchen und Hunger verloren. Diese Kinder mahnen uns mehr als ein Denkmal, unseren Ursprung nicht zu vergessen. Nicht zu vergessen, dass wir alle Afrikaner sind und alle miteinander verbunden sind. Wir würden nicht zusehen, wenn die römischen und griechischen Zeugnisse, unsere kulturelle Wiege, zugrunde ginge. Deshalb dürfen wir auch nicht zusehen, wie Afrika in Chaos, Krieg und Hunger versinkt. Denn was in Afrika passiert, das betrifft uns selbst. Da kommen wir her, da sind un-sere Wurzeln, da hat die Menschheit ihren Anfang genommen. Das kann uns nicht gleichgültig sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=4071
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