SWR2 Wort zum Tag

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Angst vor Schmerzen führt leicht in eine Schonhaltung. Aber Schonhaltung auf Dauer, schadet. Vielleicht kommt Ihnen bekannt vor, was mir ein Bekannter erzählt hat:
Er hat eine gestauchte Bandscheibe. Wenn er etwas gehoben hat, hat er es heftig im Rücken gespürt. Mit der Zeit hat er gelernt, den Schmerz zu meiden. Durch Schonung. Wo er ging und stand, hat er den Rücken entlastet. Nichts mehr gehoben. Sich beim Sitzen hängen lassen. Inzwischen sind die Rückenmuskeln geschwächt, eine Hüfte schmerzt, Muskeln und Sehnen tun weh, weil er sie einseitig belastet hat. Angst vor Schmerzen führt zu Schonhaltung. Aber Schonhaltung auf Dauer, schadet eben auch.
Ich vermute, Sie kennen auch solche Stellen, an denen Menschen in Schonhaltung gehen. Der eine umgeht körperliche Schmerzen, die andere seelische. Aber dabei riskiert man, dass mit der Schonung an einer Stelle, eine Kettenreaktion woanders ausgelöst wird.
Vielleicht ist es doch besser, sich Schmerzen dort zu stellen, wo sie entstehen. Wenn möglich, aktiv dagegen anzugehen, statt ihnen auszuweichen.
In der Bibel gibt es eine Gestalt, die scheint mir wie ein Urbild für viele Versuche, sich selbst zu schonen.
Jakob weicht nicht körperlichen oder seelischen Schmerzen aus, er umgeht die Schmerzen, die ihm sein Gewissen macht. Eine besonders weit reichende Form der Schonhaltung. Jakob hat seinen Bruder um das Erbe betrogen und sich dann ins Ausland abgesetzt. Nach langen Jahren kommt der Moment, da geht es für ihn nicht mehr weiter mit der Schonhaltung. Er muss zurück, will sich seiner Vergangenheit stellen und seinem Bruder wieder unter die Augen treten. Ihn um Versöhnung bitten.
In der Nacht, bevor die beiden sich treffen, muss Jakob einen erbitterten Kampf ausfechten. Es ist nicht leicht, sich den Ursachen eines Schmerzes zu stellen. Wer sein Gegner ist, die Bibel lässt es ein wenig im Dunkel: Eine Gestalt, vielleicht ein Engel, vielleicht sogar Gott. Aber klar ist, Jakob schont sich nicht mehr. Er stellt sich seinem Gewissen. Und besteht. Dass Jakob sich gestellt hat, daraus fließt ihm neue Kraft zu. Dass er den Kampf aufgenommen hat, wird ihm zum Segen.
Allerdings spurlos geht der nächtliche Kampf nicht an ihm vorbei. Fortan hinkt er. Aber am Tag danach kommt es zur Versöhnung der Brüder.
Eine ermutigende Geschichte: Vielleicht liegt auch für Sie und mich Segen darin, wenn wir unsere Schonhaltung aufgeben, uns den Schmerzursachen stellen und den Kampf aufnehmen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4023
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