SWR3 Gedanken

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Was ist das: Eine Frau mit zwei Gesichtern. Das eine schaut nach vorn, das andere nach hinten. Das Gesicht, das nach vorn schaut, sieht durch ein Fernrohr. Das, das zurückschaut, sieht in einen Handspiegel, in dem sich das rückwärts gerichtete Gesicht spiegelt. Ein altes Bild, so alt wie die Tugend das es beschreibt, die zweite der vier Kardinaltugenden: die Klugheit.
Warum eine Frau als Bild für die Klugheit? Vielleicht weil mit dem Wort „klug“ was feinsinniges, zartes verbunden wird. Das Wort klug stammt vom mittelhochdeutschem „kluoc“ ab und bedeutet unter anderem fein, zart, zierlich und hübsch. Aber auch gebildet und geistig gewandt. Und das passt sehr gut zu der Frau mit den zwei Gesichtern. Das, das nach vorn gewandt ist zeigt die vorausschauende Seite der Klugheit. Deshalb auch das Fernrohr. Beim Blick zurück schaut die Klugheit in einen Spiegel und erkennt sich selbst. Nicht nur aus den Fehlern, aus denen sie klug geworden ist, sondern auch aus der Selbstreflexion. Daraus, dass sie über das, was sie getan hat nachdenkt. Das ist ein weiterer Wesenszug der Klugheit. Dass sie zurückschaut, sich selbst reflektiert und dadurch lernt und sich gegebenenfalls auch verändert.
Aber damit die Tugend Klugheit, zur besonderen, zur Kardinaltugend werden kann, muss noch was Wichtiges dazu kommen. Dass ich auch zum Wohl des Anderen oder der Allgemeinheit denke und handle. Handle ich klug nur zu meinem Vorteil ist es Schlauheit oder Verschlagenheit. Will ich aber das Gute auch für Andere erreichen, wird die Klugheit zu Kardinaltugend. Zum Beispiel bei einem ganz alltäglichen Gespräch, das ein Philosoph (Arthur Schopenhauer) im Sinn hatte als er gesagt hat: „Wer klug ist wird im Gespräch weniger an das denken, worüber er spricht, als an den, mit dem er spricht. Solange er das tut, ist er sicher auch nichts zu sagen, was er nachher bereut.“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=4005
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