SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Leben zu dürfen, ist ein kostbarer Schatz.
Eigentlich weiß ich das. Und doch lebe ich oft so gedankenlos, ja undankbar vor mich hin. Dann ist es gut, wenn ich aufgeschreckt werde, wie z.B. durch einen Film mit dem Titel: Schmetterling und Taucherglocke.

Er zeigt eine furchtbare Geschichte, die sich vor einiger Zeit in Frankreich ereignet hat. Ein Mensch, Anfang 40, wird durch einen Schlaganfall aus einem erfüllten und erfolgreichen Leben herausgerissen. Der Schlag ist so schwer, dass die Ärzte von einem locked-in-Syndrom sprechen: Der Mensch ist in seinem Körper eingeschlossen wie in einer Taucherglocke, er ist völlig gelähmt und kann nicht mehr sprechen. Er kann noch klar denken, kann und muß hören, was die Menschen an seinem Bett sagen, und hat noch ein funktionierendes Auge. Das einzige Körperteil, das er bewegen kann, ist das Lid dieses Auges, und mithilfe einer Therapeutin lernt er, über dieses Lid zu kommunizieren. Einmal blinkern bedeutet: Ja, zweimal blinkern bedeutet: Nein. Sie liest ihm die Buchstaben des Alphabets vor, und er blinkert bei dem Anfangsbuchstaben des Wortes, das er sagen möchte, dann beim nächsten, und so weiter. Der erste Satz, den er auf diese Weise kommuniziert: Ich will sterben.

Die Geschichte erzählt nun, wie die Therapeutin ihm hilft, aus dieser Verzweiflung herauszukommen und sich mitzuteilen. Eines Tages überrascht er sie mit der Mitteilung, dass er ihr seine Gedanken diktieren möchte, alles buchstabenweise, mit Alphabet und Augenzwinkern. Das zwinkernde Auge wird für ihn zum Tor in ein neues Leben, und indem er dieses beschreibt, findet er ein Ja dazu. Es ist ein kleines, ein immer wieder gebrochenes Ja, aber selbst in dieser Gebrochenheit mutet es geradezu ungeheuerlich an.
Der Film ist beklemmend und verstörend, er wirft viele Fragen auf, ohne Antworten zu geben. Und doch – so denke ich – dieses hier erzählte Schicksal beinhaltet ein verhaltenes, zugleich deutliches und mutmachendes Ja zum Leben.
Ja! – Leben ist schön, und diese Schönheit zeigt sich auch dort, wo viele lieber wegschauen würden. Leben hat Würde und Kraft, und diese entfaltet sich auch noch unter schwierigsten und traurigsten Bedingungen.

Also möchte ich gedankenvoller und dankbarer leben.
Dieses begrenzte, vergehende Leben ist ein Geschenk Gottes.
Ich will dieses Geschenk nutzen mit der Zeit, mit den Kräften und Gaben, die ich habe.
Lernen kann ich das auch, indem ich auf die Menschen achte, die weniger vom Leben haben –und dennoch Ja dazu sagen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3986
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